Auf neuen Bahnen – Johannes Brahms und sein 1. Klavierkonzert

Schicksalhafter hätte die Begegnung kaum ausfallen können. Als der 20-jährige Johannes Brahms am 30. September 1853, eher zögerlich als bestimmt, den Weg zur Düsseldorfer Wohnung des Ehepaars Schumann einschlug, um sich bei dem renommierten Komponisten und seiner als Pianistin gefeierten Gattin vorzustellen, markierte dies einen entscheidenden Umschwung im Leben des jungen Künstlers.

Wenige Monate zuvor hatte er einige Tage bei Franz Liszt in Weimar verbracht, ohne indes in den Bannkreis des charismatischen Klaviervirtuosen und Komponisten zu geraten. Bei den Schumanns war dies anders: Vom ersten Augenblick an wurde Brahms eine Sympathie entgegengebracht, die ihn sofort heimisch werden und etwaige Barrieren zwischen ihnen erst gar nicht entstehen ließ. Robert zeigte sich beeindruckt von der tiefen Ernsthaftigkeit wie dem Schwung und der Originalität, die vom Klavierspiel und den eigenhändig präsentierten Klavierkompositionen des jungen Brahms ausgingen – und auch Clara war durchaus fasziniert von seiner gleichermaßen natürlichen wie interessanten Persönlichkeit. Die emotionale Euphorie, die sie während des Besuchs von Brahms erlebt, bringt eine Tagebuchnotiz deutlich zur Sprache: »Dieser Monat brachte uns eine wunderbare Erscheinung in dem 20-jährigen Brahms aus Hamburg. Das ist wieder einmal einer, der kommt eigens, wie von Gott gesandt! Er spielte uns Sonaten, Scherzos von sich, alles voll überschwenglicher Phantasie, Innigkeit der Empfindung und meisterhaft in der Form. Robert meint, er wüßte ihm nichts zu sagen, das er hinweg- oder hinzutun sollte. Es ist wirklich rührend, wenn man diesen Menschen am Klavier sieht mit seinem interessant jugendlichen Gesichte, das sich beim spielen ganz verklärt, seine schöne hand, die mit der größten Leichtigkeit die größten Schwierigkeiten besiegt, und dazu diese merkwürdigen Kompositionen […] Das, was er uns gespielt, ist so meisterhaft, daß man meinen müßte, den hätte der liebe Gott gleich so fertig auf die Welt gesetzt. eine schöne Zukunft steht Dem bevor, denn wenn er erst für Orchester schreiben wird, dann wird er erst das rechte Feld für seine Phantasie gefunden haben!«

Auch Claras Ehemann bedient sich eines ganz ähnlichen Vokabulars. Wenige Wochen nach der Düsseldorfer Begegnung veröffentlicht Robert Schumann in der einst von ihm selbst ins leben gerufenen Neuen Zeitschrift für Musik  jenen denkwürdigen Artikel mit dem programmatischen Titel »Neue Bahnen«, der den weiteren Werdegang Brahms’ entscheidend bestimmen sollte. Allein aus der Kenntnis einiger weniger stücke heraus artikulierte Schumann eine kühne Vision: Für ihn war Brahms derjenige, der gleich einem Messias die Musik der Gegenwart zu erlösen vermochte. Schumanns Äußerungen lassen daran keinen Zweifel: »Ich dachte […] es würde und müsste […] einmal plötzlich einer erscheinen, der den höchsten Ausdruck der Zeit in idealer Weise auszusprechen berufen wäre, einer, der uns die Meisterschaft nicht in stufenweiser Entfaltung brächte, sondern, wie Minerva, gleich vollkommen gepanzert aus dem haupte des Kronion entspränge. und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und helden Wache hielten. er heißt Johannes Brahms […] er trug, auch im Äußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigen: das ist ein Berufener! Am Klavier sitzend, fing er an, wunderbare Regionen zu enthüllen […] Wenn er seinen Zauberstab dahin senken wird, wo ihm die Mächte der Massen, im Chor und Orchester, ihre Kräfte leihen, so stehen uns noch wunderbarere Blicke in die Geheimnisse der Geisterwelt bevor.« es ist dies Schumanns erster (und zugleich letzter) Beitrag, nachdem er für mehrere Jahre als Musikpublizist pausiert hatte. Wie im Falle von Frédéric Chopin, den er bereits 1831 als kommenden Stern am Komponistenhimmel angekündigt hatte, sollten sich auch diesmal Schumanns Worte als prophetisch erweisen: In der Tat wurde Brahms zu einer der zentralen Gestalten der europäischen Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts.

Brahms war einem Erwartungsdruck ausgesetzt, an dem er fast zu zerbrechen drohte

Für den jungen, so gut wie unbekannten Komponisten bedeutete eine derart prominent platzierte Empfehlung, die ihn sogleich in das licht der Öffentlichkeit zog, eine durchaus zwiespältige Angelegenheit. Einerseits konnte er Schumann dankbar sein, dass er ihm Aufmerksamkeit verschafft und darüber hinaus Kontakte zu einflussreichen Verlegern hergestellt hatte, andererseits stand der angehende Komponist einer solchen Art von quasi religiöser Verehrung, die ihm völlig unangemessen erschien, spürbar hilflos gegenüber. Brahms war einem Erwartungsdruck ausgesetzt, an dem er fast zu zerbrechen drohte, zumal er sich nach wie vor als Lernender und keinesfalls als bereits fertiger Künstler empfand. Gerade auch die Aufforderung Roberts wie Claras, die Begrenzungen des Klaviers hinter sich zu lassen und sich die Klangwelten des großen Orchesters zu erschließen, bedeutete eine nicht unerhebliche Hypothek für die Zukunft. So wurde aus dem wohlwollenden Versuch einer Förderung eine schwere Bürde. Brahms entzog sich jedoch nicht der ihm auferlegten Verantwortung: Das Schumann’sche Erbe – auch (und gerade) gegen die sich zunehmend etablierenden »Neudeutschen« um Liszt und Wagner – zu bewahren, es nach dessen so tragischem Ende produktiv weiterzuführen, blieb ihm über Jahrzehnte hinweg ein zentrales Anliegen. Nicht zuletzt Clara gegenüber, die nach Roberts Nervenzusammenbruch 1854 eine schwierige Zeit durchlebte und die nach seinem Tod im Sommer 1856 für eine Familie mit immerhin sieben Kindern zu sorgen hatte, sah er sich in der Pflicht: Brahms, dem – nach allem was bekannt ist – die um 14 Jahre ältere Frau mehr als nur sympathisch war, wollte ihr alle nur erdenkliche Unterstützung geben.

Die Entstehung seines 1. Klavierkonzerts steht in engem Zusammenhang mit den Kontakten, die Brahms zum Ehepaar Schumann unterhielt. Darüber hinaus war noch ein weiterer »Geburtshelfer« am Werk: Joseph Joachim, der den künstlerisch noch recht orientierungslosen Brahms nach Düsseldorf verwiesen und das erste Treffen mit den Schumanns vermittelt hatte. Der intensive Austausch über kompositorische wie aufführungspraktische Fragen, den Brahms im Zuge seiner Arbeit mit dem befreundeten Violinvirtuosen und begabten Komponisten pflegte, sollte zu einem entscheidenden Impulsgeber werden. Obgleich Joachim lediglich zwei Jahre älter als Brahms war, verfügte er doch bereits über reichhaltige Erfahrungen: Als Konzertmeister der Königlichen Kapelle in Hannover stand er einem Orchester vor, das zu den leistungsfähigsten der Zeit gehörte. Diese Position ermöglichte es ihm, sich über die Violine hinaus mit der Spieltechnik und den klanglichen Besonderheiten der verschiedenen Instrumente vertraut zu machen – gerade in diesen Dingen konnte er dem diesbezüglich noch wenig beschlagenen Brahms wertvolle Hinweise geben. Dabei hatte sich Brahms keineswegs danach gedrängt, ein Werk unter Einbezug des Orchesters zu schreiben. Sein angestammtes Instrument war das Klavier, auf dem er in höchst eindrucksvoller Weise zu spielen wusste. Und auch seine bisherigen Kompositionen waren fast ausschließlich dem Klavier vorbehalten, unter ihnen drei große Sonaten, ein Scherzo sowie eine Reihe von Variationswerken.

Im Frühjahr 1854 scheint Brahms zumindest drei Sätze einer großangelegten Sonate für zwei Klaviere beendet zu haben, welche den Ausgangspunkt für das spätere Klavierkonzert bildeten. Zusammen mit Clara Schumann probierte er mehrfach dieses Werk im privaten Rahmen – trotz allen zustimmenden Beifalls zeigte sich Brahms nicht sonderlich zufrieden mit seiner Komposition. Insbesondere der Klangcharakter entsprach nicht seinen Vorstellungen. Da ihm, wie er Joachim mitteilte, »nicht einmal zwei Klaviere« genügten, um  seine Ideen zum Ausdruck zu bringen, entschloss er sich 1855 zu einer grundlegenden Umarbeitung: Die Sonate sollte in eine Sinfonie umgewandelt werden. Trotz tatkräftiger Mithilfe eines Komponistenkollegen, Julius Otto Grimm, gelang es ihm indes nicht, eine Orchesterpartitur zu erstellen, die seinen gehobenen Ansprüchen standzuhalten vermochte. Vor allem seine mangelnden Erfahrungen in der Instrumentation trugen zum letztendlichen scheitern dieses ersten sinfonieplanes bei – mehr als zwei Jahrzehnte sollte es dauern, ehe er 1876 den Mut fand, ein Orchesterwerk als seine »Sinfonie Nr. 1« zu veröffentlichen. um die kompositorische Substanz der Sonate für zwei Klaviere (von deren Qualität Brahms offenkundig überzeugt war) dennoch für ein groß besetztes Werk zu nutzen, verfiel er auf den Gedanken, daraus ein Klavierkonzert zu verfertigen – eine durchaus naheliegende Idee, konnte er sich doch damit sowohl als Komponist wie als Pianist profilieren und zudem der Erwartungshaltung der Schumanns entsprechen, sich der Herstellung einer Orchesterpartitur zuzuwenden.

»Denken Sie, was ich die Nacht träumte. Ich hätte meine verunglückte Symphonie zu meinem Klavierkonzert benutzt und spielte dieses.[…] Ich war ganz begeistert.«

Johannes Brahms an Clara Schumann, 1855

 

Nachdem der prinzipielle Entschluss gefallen war, ging Brahms mit viel Enthusiasmus an die Ausarbeitung seines »Concerts für das Pianoforte mit Begleitung des Orchesters«. Über einen längeren Zeitraum, von ende 1856 bis zum Beginn des Jahres 1858, entwickelte sich ein lebhafter, von gegenseitigem Respekt und Vertrauen getragener Dialog zwischen Brahms und Joachim, in dessen Verlauf das Werk immer stärker Gestalt annahm. Brahms schickte wiederholt Fassungen einzelner Sätze und Abschnitte, auf die Joachim dann zumeist außerordentlich ausführlich und einfühlsam reagierte: Neben Lob für die elementare Kraft und Originalität, die der Musik von Anfang an innewohnten, wies er auf manche Unstimmigkeiten hin und gab zahlreiche Anregungen im Detail: etwa zur Formgestaltung, zur Satztechnik oder zur Instrumentierung. Brahms nahm diese hinweise dankbar an und revidierte mehrfach seine entwürfe – so blieb von der Ursprungsversion der Sonate für zwei Klaviere kaum mehr als das Gerüst des ersten Satzes übrig, während die beiden folgenden Sätze offenbar vollkommen neu komponiert wurden.

Das Resultat dieser engen Zusammenarbeit ist ein gleichermaßen ideenreiches wie klangintensives Werk. Das einleitende Maestoso, dessen Formgebung Brahms und Joachim am meisten beschäftigt hatte, gibt hierfür den Ton an: Mit seinem bereits in den ersten Takten zutage tretenden, weiträumig ausgreifenden, ernsten Klang gemahnt die ausgedehnte Introduktion des Orchesters an den Beginn einer großen Sinfonie. Der konzentriert durchgestaltete Tonsatz, der Aufbau eines vielschichtigen Stimmengewebes sowie die sofort präsente Ausdruckskraft deuten auf eine bewusst ins Monumentale zielende Gestaltung hin. Eine solche Orchestereinleitung ist nicht nur ein simples Präludieren zur Vorbereitung des Solo-Einsatzes, sie erweist sich als vollkommen eigenständiger, gewichtiger Teil des Ganzen. Statt die eingeführten Gedanken – wie etwa die markanten Dreiklangsbrechungen und die scharfen Trillerfolgen am Beginn, die stark zurückgenommene, gesanglich-expressive Fortsetzung sowie ein signalhaftes Motiv mit aufsteigenden Intervallen – aufzunehmen und fortzuspinnen, führt das Klavier neues musikalisches Material ein. Erst im weiteren Verlauf des umfangreichen Satzes, der in traditioneller Sonatenform konstruiert ist, greift auch der Solist auf die in hohem Maße konturbildenden Gestalten des Anfangs zurück. Vorbehalten ist ihm überdies der erstmalige Einsatz des choralartigen Seitenthemas – eine lyrische Insel im zuweilen doch von sehr kräftigen Farben bestimmten Klanggeschehen. Auch treten Soloinstrument und Orchester kaum einmal in einen wirklichen Dialog miteinander. Über weite Strecken ist das Klavier unmittelbar in den Tonsatz der Streicher und Bläser eingebunden, verzahnt sich mit deren Stimmen. Zusammen prägen sie die Architektur der Komposition, sowohl in Bezug auf die klar erkennbaren Formteile Exposition, Durchführung, Reprise und Coda als auch auf die durchgehende klangliche Präsenz. Und ebenso sorgen sie auch gemeinsam für wirkungsvolle Entfaltungen – bis hin zum Schluss mit seinen rauschenden Tonkaskaden und vollgriffigen Akkorden. Das Adagio führt in eine spürbar andere Welt hinein. Mit seinen gedämpften Klängen und seinen sich expressiv entfaltenden Melodiezügen schafft es die nötigen Kontraste zu den beiden Ecksätzen. Seine dreiteilige Anlage ist vergleichsweise einfach zu überblicken: Die ruhig-entspannten Außenteile im sanften Piano bilden den Rahmen für einen fließenden, kräftige Töne nicht aussparenden Mittelabschnitt.

Trotz ihres so vollkommen unterschiedlichen Klangcharakters existieren doch einige Parallelen zwischen den ersten beiden Sätzen. Zunächst sind sie im nicht gerade allzu häufig anzutreffenden 6⁄4-Takt geschrieben. Auch gibt es in ihnen manche motivisch-thematischen Entsprechungen und gewisse Ähnlichkeiten in der Gestaltung des Klavierparts, der in beiden Fällen die für Brahms gleichsam typische raumgreifende Art und Geradlinigkeit besitzt.  Im abschließenden Rondo werden indes noch einmal manche Ausdrucksgesten des Maestoso wieder aufgegriffen. Im Gegensatz zu diesem ist das Finale aber weitaus stärker auf das Klavier zugeschnitten: Eine Solopartie steht nicht nur am Beginn des Rondos, wiederholt sind auch später unbegleitete Abschnitte einkomponiert. Vier Ritornelli wechseln sich mit drei episodenhaften Couplets ab, die ihren je eigenen Charakter tragen. Der Einbezug von fugierten Passagen verweist zum einen auf die bereits im ersten Satz praktizierte kontrapunktische Arbeit, zum anderen führt er das formal eher unkompliziert strukturierte Rondo auf ein kompositionstechnisch ungemein hohes Niveau. Und auch zielgerichteten, durchaus effektvollen Steigerungen versagt er sich nicht: Nachdem zwischenzeitlich Tempo und Dynamik zurückgenommen worden waren, klingt das Werk nach einer weiteren Solo-Kadenz mit einem letzten Fortissimo-Aufschwung aus.

Den vorläufigen Schlusspunkt seiner langwierigen Genese fand Brahms’ 1. Klavierkonzert (dem erst zu Beginn der der 1880er Jahre ein ebenso monumentales zweites folgen sollte) im März 1858: Als einen weiteren Freundschaftsdienst hatte Joseph Joachim mit seinem Orchester in Hannover eine Durchspielprobe organisiert, im Januar 1859 kam es dann – wiederum mit Brahms am Flügel – im Königlichen Hoftheater zur gleichsam »offiziellen« Uraufführung. Über den offenkundigen Erfolg berichtet Joachim am Tag darauf Clara Schumann: »Wir haben gestern Abend also Johannes’ Concert vor einem hohen Hannoverschen Adel und sonstigem Publicum, ja selbst vor sämmtlichen allerhöchsten Herrschaften gespielt. Und es ging sehr gut! Es wurde das Concert sogar durch Hervorruf des Spielers und Componisten geehrt, dessen Bücklinge so aussahen, als wollte er nach Untertauchen im Wasser die Feuchtigkeit aus den Haaren schütteln. Er hat sich aber sonst sehr gut aufgeführt, namentlich sehr erträglich und im Tacte gespielt, und ist wirklich ein ganzer Kerl.« Dass sich das Werk vorerst jedoch nicht durchsetzte, lag vor allem an der nur wenig später angesetzten Präsentation im Leipziger Gewandhaus: Obgleich die beteiligten Musiker (diesmal stand das Orchester nicht unter der Leitung Joachims) ihr Bestes gaben, fand das Konzert keine Resonanz, ja es fiel sogar durch. Brahms war nicht nur über das demonstrative Zischen verärgert, sondern auch über die Gleichgültigkeit, mit der sein Werk aufgenommen wurde.

Mit seinem weiträumig ausgreifenden ernsten Klang gemahnt bereits die Introduktion des Orchesters an den Beginn einer großen Sinfonie.

Überdies bekam er – und zwar in seiner Eigenschaft als Komponist wie als Pianist – eine ausnehmend schlechte Presse: So wurde ihm die offenkundige Länge des Konzerts zum Vorwurf gemacht, ebenso ein Mangel an Inspiration, Erfindungsgabe und innerer Logik. Da auch die besondere Art seines Spiels pianistisch nicht unbedingt sonderlich brillant wirkte, war ein weiterer Kritikpunkt gefunden, der sich schließlich zusammen mit den werkbezogenen Einschätzungen zu einem ausgesprochen negativen Gesamturteil formte. In der Tat handelt es sich bei Brahms op. 15 um kein »Virtuosenstück« im engeren Sinne. Jegliche plakativ zur Schau gestellte Virtuosität sucht man vergebens, wenngleich der Solist auch enorme spieltechnische Schwierigkeiten zu bewältigen hat. Zudem orientiert sich Brahms in seiner gesamten Gestaltungsdisposition eher an bereits ein wenig älteren Modellen (vor allem an den Klavierkonzerten Beethovens) als an den Werken der nachfolgenden Komponistengeneration (etwa eines Mendelssohns oder Liszts). Auf diese Weise schafft er eine sehr enge Verzahnung von Solo- und Orchesterpart, die oft genug (und mit gutem Recht) als »sinfonisch« beschrieben worden ist.

Da sich aber immer auch Passagen finden lassen, die eindeutig von konzertanten Praktiken bestimmt sind, ist Brahms’ Werk keineswegs nur als »Sinfonie mit obligatem Klavier« zu begreifen. Vielmehr verwirklicht sich in ihm eine neuartige Form des Zusammenwirkens der einander gegenübergestellten Instanzen Klavier und Orchester, mit denen Brahms durchaus auf jenen »Neuen Bahnen« wandelte, von denen Robert Schumann kurz nach ihrer ersten, schicksalhaften Begegnung gesprochen hatte.

Diesen Text findet ihr auch im Programmheft zum VII. Abonnementkonzert der Staatskapelle Berlin

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