Berg-Fest

Auf einen Kaffee mit der Dramaturgie - Berg-Fest

In der ersten März-Hälfte feiert die Staatsoper im Schiller Theater den Komponisten Alban Berg mit Aufführungen seiner beiden Opern und sämtlicher Orchesterwerke. Die Staatskapellen-Musiker Yulia Deyneka [Viola], Matthias Glander [Klarinette] und Dominic Oelze [Schlagzeug] sprachen für Staatsoper – Das Magazin No. 2 mit den Dramaturgen Jens Schroth und Detlef Giese über das zeitlose Faszinosum Berg.

Magazin Was war für Euch persönlich das eindrücklichste Erlebnis mit der Musik von Alban Berg?
Yulia Deyneka Für mich als Solo-Bratschistin natürlich „Wozzeck« . Das Werk ist so unglaublich vielschichtig, aber Maestro Barenboim hat diese Schichten sehr präzise auseinandergenommen. Man wusste ganz genau, welche Rolle jedem Musiker in welchen Phrasen zukommt, ob man nun gerade eine führende oder eine begleitende Stimme spielt. Er hat da größtmögliche Klarheit geschaffen.

Matthias Glander Bergs Musik zeichnet sich dadurch aus, dass sie innerhalb kürzester Abschnitte viele Struktur- und Ausdrucksmomente enthält. Webern komponiert auch extrem dicht, bei Berg aber kommt noch eine enorme Gefühlstiefe dazu. Das ist eine moderne, farbige, durchaus auch effektvolle Musik, die physisch und emotional tief berührt.

Dominic Oelze Man sollte bei Berg nicht vergessen, dass seinen Werken — noch stärker als bei Schönberg — Zahlenkonstrukte zugrunde liegen. Häufig bekommt man sie ganz offen »serviert«, spürt sie aber gar nicht mehr.

Magazin Da geht die Kunst in Ausdruck auf.
Dominic Oelze Eine sehr strenge Form trägt das Ganze, und die sinnlich-emotionale Seite leidet nicht nur nicht darunter, sondern entfaltet sich umso freier. Das ist schon ein Kunststück.

Magazin Vor mittlerweile fast 90 Jahren ist „Wozzeck« in der Staatsoper uraufgeführt worden. Die spieltechnischen Schwierigkeiten scheinen aber nach wie vor immens zu sein.
Dominic Oelze Man hat mit der Uraufführung von „Wozzeck« Ende 1925 an der Berliner Staatsoper, ähnlich wie mit der Einstudierung von Zimmermanns Soldaten 40 Jahre später in Köln, sicher einen großen Schritt für das Orchesterspiel generell getan, indem man ein Werk auf die Bühne brachte, das als »unspielbar« galt. Wenn ein Haus aber entscheidet: »Wir machen das jetzt und nehmen uns die Zeit für ausreichend viele Orchesterproben«, setzt man damit ein Zeichen. Und Jahre später ist das Stück dann im Repertoire angelangt.

Matthias Glander Keiner wollte „Wozzeck« damals aufführen. Erst Erich Kleiber hat das Projekt energisch vorangetrieben — und die Oper wurde tatsächlich zu einem großen Erfolg,  in Berlin und auf vielen anderen Bühnen.

Wozzeck - Foto: Bernd Uhlig
Nadja Michael und Roman Trekel in »Wozzeck«, 2011

Magazin Macht man sich eigentlich bewusst, dass die Vorgängerkollegen im Orchester diese musikgeschichtlich ungemein wichtige Uraufführung realisiert haben? Spielt Traditionsbewusstsein eine Rolle für euch?

Yulia Deyneka Man fühlt sich als Teil einer lebendigen Geschichte. Obwohl man natürlich nicht weiß, wie die Musik damals geklungen hat.

Matthias Glander Es freut mich, dass sich eine regelrechte Tradition von „Wozzeck«-Aufführungen an der Staatsoper herausgebildet hat: erst die Wiederaufnahme 1955, dann die Neuinszenierungen von Ruth Berghaus, Patrice Chéreau und Andrea Breth. Die bedeutendsten Regisseure kamen hierher, um die Geschichte zu erzählen. Und natürlich großartige Dirigenten wie Erich Kleiber, Otmar Suitner und Daniel Barenboim. Ich finde es wunderbar, dass „Wozzeck« quasi unser »Hausstück« ist, mit dem wir auch auf Tournee gegangen sind.

Magazin Es ist doch erstaunlich, dass Bergs kompositorisch höchst anspruchsvolle Musik zugleich eine unmittelbare Zugänglichkeit zu besitzen scheint.
Dominic Oelze Dass man bei Berg sofort emotional gepackt ist, liegt vielleicht auch daran, dass die Musiker wissen: »Ja, das hat tatsächlich Sinn«. Das ging mir so mit „Lulu«, die ich das erste Mal unter Michael Gielen gespielt habe. Ich war von Anfang an Feuer und Flamme. Insbesondere hat mir gefallen, wie Gielen die Strukturen des Stückes herausgearbeitet hat.

Magazin Überdies merkt man, dass Berg offenkundig »Debussy-Fan« war.

Lulu - Foto: Bernd Uhlig
Mojca Erdmann und Georg Nigl in »Lulu«, 2012.

Yulia Deyneka Ja, die Farben kommen sicher auch aus dem Impressionismus. Sobald die Nebenstimmen zu laut oder zu schwerfällig werden, geht man am Eigentlichen vorbei. Die Musik von Berg ist sehr fragil.

Matthias Glander Er hat ja nicht allzu viel geschrieben, aber dafür nahm er sich viel Zeit für die einzelnen Werke, die dann auch entsprechend komplex ausgefallen sind.

Magazin Das heißt, Ihr Musiker müsst viel mehr aufeinander hören und reagieren?
Matthias Glander Ja, aber das geht nur, wenn man die Partitur gleichsam seziert hat und alle rhythmischen Beziehungen und Überlagerungen kennt.

Yulia Deyneka Erst dadurch entsteht Klarheit. Und wenn diese bei den Musikern herrscht, dann ist es auch ganz natürlich, dass es transparent klingt.

Dominic Oelze Die Musik von Berg ist sehr gründlich notiert, und wenn man alles ernst nimmt, dann sind der richtige Klang und die richtige Stimmung sofort da.

Magazin Im März spielt ihr nahezu alle Orchesterwerke Bergs. Was erwartet Ihr von den beiden Konzerten?
Matthias Glander Wir müssen es erst einmal erleben. Ich bin jedenfalls gespannt auf diese reinen Alban-Berg-Programme, die ein breites Spektrum erschließen.

Yulia Deyneka Es ist sehr interessant, die Entwicklung seiner Musik zu verfolgen. Wenn wir mit den frühen Werken beginnen und mit dem Violinkonzert enden, wird man die Zeiten spüren, die Berg durchlebt hat.

Dominic Oelze Ich finde es spannend für das Orchester wie für das Publikum, innerhalb kürzester Zeit neben den beiden Opern auch das sinfonische Werk zu erarbeiten beziehungsweise präsentiert zu bekommen. Das ist schon ein ungewöhnliches Unterfangen.

 Diesen Beitrag findet ihr auch in Staatsoper – Das Magazin No. 2

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