Von der Skizze zum Kostüm

Hans im Glück Figurine Eva Henschkowski

Bereits letzte Woche haben wir euch eine erste Figurine gezeigt – heute erzählt Kostümbildnerin Eva Henschkowski wie aus ihren Ideen erste Skizzen und schließlich fertige Kostüme werden und wie sie die Figuren in der Uraufführung »Hans im Glück« auf die Bühne bringt.

Wovon haben Sie sich für die Kostüme inspirieren lassen?
In erster Linie durch die vielen, vielen Gespräche und Diskussionen über das Thema Glück. Träume und Abbildungen von Träumen in der bildenden Kunst spielten bei der Bildrecherche ebenfalls eine große Rolle. Und für die Tierkostüme haben wir uns natürlich auch mit den Eigenschaften der Tiere und deren Symbolik beschäftigt.

Mit welchem Entwurf haben Sie begonnen und wann?
Die Auseinandersetzung mit dem Märchen »Hans im Glück« hat vor etwa einem halben Jahr begonnen. Da die Kostümentwürfe sich alle gegenseitig bedingen, ist es sehr schwer zu sagen, welcher Entwurf als Erstes entschieden war, aber ich meine es war das Kostüm des Vaters/Meisters.

Figurinen Hans im Glück. Illustration: Georg & Paul

Wie lange brauchen Sie für eine Zeichnung?
Für die Anfertigung der Figurine, die letztendlich eine Zusammenfassung aller relevanten und wochenlang im Vorfeld entstandenen Skizzen ist, brauche ich ca. eine halbe Stunde.

Vom Entwurf bis zum fertigen Kostüm: Können Sie uns diesen Prozess einmal beschreiben?
Zunächst beschäftigten sich Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner und der Dramaturg sich in der Regel mit dem Libretto, der Librettogrundlage selbst und natürlich, soweit vorhanden, mit der Musik.
Da die Komposition »Hans im Glück« zum Zeitpunkt unseres Entwurfs noch in der Entstehung war, haben wir, also die Regisseurin Julia Haebler, der Librettist Rainer O.Brinkmann, Lolita Hindenberg und ich, uns zunächst also mit der Frage beschäftigt: Was ist eigentlich Glück? Und bedeutet Glück für jeden etwas anderes? Vor, während und nach der Entscheidung, dass wir das Märchen als Traum erzählen möchten, haben wir nach Bildmaterial zur Inspiration und Verständigung gesucht und Ideen skizziert und wieder verworfen, Teile davon wieder verwendet und wieder neu erfunden.
Hieraus und aus den weiteren Gesprächen schälen sich die Ideen für Bühne und Kostüm heraus. Diese Ideen werden in Form von Skizzen nach und nach detaillierter mit dem Endergebnis der Figurinen. Diese Zeichnungen stellen wir der Intendanz und der Kostüm- und Maskenabteilung vor, eine Kalkulation für das notwendige Budget wird erstellt und die Machbarkeit im Rahmen der Werkstattkapazität abgeklopft. Die Stoffe und Farben werden festgelegt und die einzelnen Gewerke beginnen mit der Ausführung, in stetiger Abstimmung mit den Kostümbildnern und Kostümbildassistenten. Teile, die nicht extra angefertigt werden müssen, werden gekauft. Für die Probenzeit werden entsprechende Kostümteile aus dem Fundus zusammengesucht, damit sich die Darsteller an schnelle Umzüge oder besondere Eigenschaften des Kostüms schon während der Probenzeit gewöhnen können bzw. mögliche Einschränkungen bei der Anfertigung noch berücksichtigt werden können. Bei den Anproben werden Details wie Hosen-/Rocklängen abgesteckt und/oder gekaufte oder im Fundus zusammengestellte Kostümvarianten probiert. Zeitgleich werden die Perücken, die Frisuren und das Make-Up vorbereitet und ebenfalls bei Anproben auf die Darsteller angepasst. Alles kommt während der sogenannten Klavierhauptprobe zum ersten Mal zusammen, sodass sich die Sänger während der Endproben bereits im Originalkostüm auf ihre Arbeit konzentrieren können.
Für das fertige Kostüm leisten an einem Haus wie der Staatsoper neben der Kostümbildnerin sehr viele Menschen einen großen Anteil, im Falle der Kostüme für »Hans im Glück« waren es insgesamt 21 Menschen.

Figurinen Hans im Glück. Illustration: Georg & Paul

Wie unterscheiden sich die Figurinen von den fertigen Kostümen?
Am Beispiel der vorgestellten Tierfigurinen unterscheidet sich das fertige Kostüm von der Figurine tatsächlich nur im Detail, da die Werkstätten alles so genau wie möglich angefertigt haben. Bei der Kuh haben wir z. B. bei der Anprobe entschieden, die Schürze, wie das Unterkleid, rosa zu färben, die Schnürung des Dirndls breiter zu machen, die Hörnchen kleiner und die Perücke etwas voluminöser zu gestalten. Der Kopfschmuck der Gans ist auf der Figurine nur als Akzent gezeichnet – zusammen mit der Hutmacherin habe ich mit dem von der Werkstatt bereitgestellten Material die tatsächliche Form erst am Styroporkopf entwickelt. Bei den gekauften Kostümen ist das anders, hier dienen die Figurinen eher der Orientierung und als Farbvorgabe.

Welche Materialien verwenden Sie?
Das ist natürlich bei jedem Kostüm sehr unterschiedlich – Für die Kuhhandtasche beispielsweise wurden Melkhilfen für Kälber aus dem Landwirtschaftsbedarf eingearbeitet, um den Melkvorgang zu ermöglichen. Die Tasche selbst besteht aus Leder. Für die Akrobaten haben wir aus Trikotstoff Anzüge anfertigen lassen, die Gans hat echte Federn in ihrem Kostüm eingearbeitet. Ansonsten kam bei diesem Entwurf hauptsächlich handelsübliche Meterware zum Einsatz.

Figurinen Hans im Glück. Illustration: Georg & Paul

Wie würden Sie die unterschiedlichen Charaktere der Tiere beschreiben und wie drücken Sie dies über das Kostüm aus?
Das Pferd steht für Ehrgeiz, Karriere, Macht, daher war es uns sehr wichtig, dass man auch wirklich auf dem Pferd reiten kann. Der Reiter zeigt seine Macht und bestimmt über seine tragenden Helfer mit der Gerte. Die weißen hochgeschnürten Schuhe der Akrobaten sind Zitate der weiß bandagierten Beine von Dressurpferden.
Die Kuh lässt Hans vom Idyll der ewigen Versorgung träumen, sie ist der Inbegriff eines Nutztieres. Dieses Wunschdenken zeigen wir mit einem werbeähnlichen Bild von harmonischem Landleben im traditionellen Dirndl mit mütterlichen Rundungen.
Im Schwein sieht Hans die Möglichkeit für die bequeme und sofortige Befriedigung seiner Wünsche. Im Kostüm übersetzen wir dieses Konsumverhalten, indem die einzelnen Körperteile wie in einem Kochbuch auf deren Verwendbarkeit reduziert ausgestellt werden.
Die Gans steht für die Erkenntnis: Hans lernt durch sie, dargestellt ist sie mit weichen Federn und einer Brille, ein bisschen altmodisch, schützenswert und hilfsbedürftig.

Ihre erste Erinnerung an das Märchen »Hans im Glück«?
Ich denke als erstes an das Bild von Hans mit der Gans unter dem Arm.

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