New Faces: David Oštrek

Momentan ist er in »Ti vedo, ti sento, mi perdo« und »L’incoronazione di Poppea« zu erleben, ab der nächsten Spielzeit ist er fest im Ensemble engagiert und singt im Oktober die Titelpartie in der Uraufführung von »Usher«: Bassbariton David Oštrek, Mitglied unseres Internationalen Opernstudios. Wir haben uns mit ihm an einem seiner Lieblingsorte in Berlin getroffen und über sein Leben an und außerhalb der Oper gesprochen.

Wir sind an einem Ort, den Du ausgesucht hast. Wo sind wir?

Wir sind in meinem Kiez in Charlottenburg, in der Nähe des Schlosses, an der Spree. Es ist sehr schön und grün, ich bin gern hier. Es ist ein guter Ausgleich zu Mitte, wo ich ja fast täglich an der Oper bin. Ich komme aus einem kleinen Dorf in Kroatien, wo ein Teil meiner Familie noch wohnt. Es ist sehr grün dort und nachts sieht man die Sterne. Man hört Tiere und Naturgeräusche, das kann man auch hier ein wenig hören. Es erinnert mich ein bisschen an Zuhause.

Wie bist du ans Opernstudio gekommen und warum wolltest du dort hin?

Als junger Sänger direkt nach dem Studium hat man ja zwei Möglichkeiten: Entweder, man wird an einem kleinen Haus engagiert oder man versucht, in das Opernstudio eines größeren Hauses aufgenommen zu werden. An die Staatsoper zu kommen war ein Traum von mir, es ist so eine tolle Oper. Ich bin dankbar, dass ich jetzt drei Jahre hier sein durfte, ich glaube, viele junge Sänger träumen davon. Ab nächster Spielzeit bin ich sogar fest im Ensemble engagiert. Ich war mitten im Studium, als ich für den Gesangswettbewerb ›Neue Stimmen‹ ausgewählt wurde und unter die letzten 40 gekommen bin. Dort ist die Staatsoper auf mich aufmerksam geworden und ich wurde zum Vorsingen eingeladen. Ich hatte das überhaupt nicht geplant, ich dachte, ich studiere noch zwei Jahre in Wien, ich war ja erst 22. Dann hatte ich mein erstes Vorsingen und noch ein weiteres vor Maestro Barenboim, und er hat mir eine Zusage gegeben. Ich hatte danach zwei Wochen um eine Wohnung zu finden und nach Berlin umzuziehen. Alles ging so schnell, es war unglaublich.

Wie empfindest Du die Zeit im Opernstudio?

Es ist toll, dass wir nicht nur auf der Bühne sind – ich bin in ungefähr 50 Vorstellungen pro Spielzeit – und dort von den besten Sängern und den besten Dirigenten der Welt lernen können, sondern darüber hinaus auch noch Workshops, Unterricht und Meisterkurse bei fantastischen Sängern, teilweise Legenden, haben. Es ist unglaublich, was uns das Opernstudio ermöglicht. Durch die Unterstützung der Coaches hat sich meine Stimme in den letzten Jahren auch sehr entwickelt. Direkt in meiner ersten Spielzeit am Opernstudio hatte ich eine sehr große Partie in ›Mario und der Zauberer‹ auf der Werkstattbühne, also wirklich eine Herausforderung. Wir haben auch die Möglichkeit, andere Engagements wahrzunehmen, ich war beispielsweise als Leporello in ›Don Giovanni‹ bei den Bregenzer Festspielen. Diesen August debütiere ich am Staatstheater Braunschweig als Escamillo in ›Carmen‹. In Braunschweig bin ich bereits zum dritten Mal.

Was sind Traumpartien für dich in der Zukunft?

Escamillo ist eine Traumpartie und ich freue mich darauf. Die Entwicklung der Stimme bei einem Bass oder Bassbariton dauert längere Zeit. Später würde ich auch gern Scarpia singen, vielleicht auch Jago. Mephisto und Don Giovanni finde ich auch spannend. Momentan bin ich noch eher als Leporello zu sehen, in der nächsten Spielzeit als Masetto, in sehr anspruchsvollen Partien, die an der Grenze sind, Basspartien, die auch nicht jeder Bassbariton singen kann. Bösewichte finde ich sehr interessant auf der Bühne, weil sie meistens mit einer dramatischen und reichen Musik begleitet werden.

War es immer Dein Wunsch, Sänger zu werden?

Ich habe gesungen, bevor ich überhaupt sprechen konnte. Meine Eltern haben mir aber immer meinen Freiraum gelassen. Mit acht Jahren haben sie mich gefragt, ob ich in die Musikschule gehen möchte, ich wollte aber lieber Fußball spielen, danach Handball. Handball spiele ich auch heute noch in einem Verein in Charlottenburg. Dann habe ich angefangen, ein kroatisches Nationalinstrument zu spielen, Tamburica. Ich habe sogar bei den Bregenzer Festspielen als Leporello Mandoline in ›Don Giovanni‹ gespielt auf der Bühne. Das ist ein ähnliches Instrument, ich musste ein bisschen üben, damit es klappte. Und dann war ich Leporello, der wirklich Mandoline für Don Giovanni spielt, das war sehr lustig. Mit 14 habe ich angefangen, freitags und samstags auf Hochzeiten, in Cafés und ähnlichem Tamburica zu spielen und mir damit mein eigenes Geld verdient. Später habe ich in einer Heavy Metal Band E-Gitarre und Bass gespielt. In Wien, wo ich dann Gesang studiert habe, hatte ich auch noch eine Band. Jetzt habe ich leider keine Zeit mehr dafür. Als ich 14 war, musste ich mich entscheiden, ob ich Musik machen möchte, als ich an der Hochschule war. Das Bildungssystem in Kroatien ist anders, hier wäre es dann das Gymnasium gewesen. Und da Musik das einzige war, was mich wirklich richtig interessiert hat, habe ich angefangen, Kontrabass zu spielen. Das war ein Instrument, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch lernen konnte. Regulär muss man in diesem Alter ja schon seit zehn Jahren ein Instrument spielen, wenn man professioneller Musiker werden möchte. Zudem hatte ich Unterricht in Komposition. Dann habe ich doch noch vorgesungen, und erhielt Unterricht in Operngesang. Meine Mutter hat mich nie dazu gedrängt, aber sie hatte eine Intuition dafür, dass es das Richtige für mich sein könnte. Es war immer der Traum meiner Mutter, Opernsängerin zu werden. Aber sie ist in Slowenien in einem kleinen Dorf geboren und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und hatte nicht die Möglichkeit dazu.  Sie hatte immer diese Vorstellung, dass ich Musiker sein und auf der Bühne singen werde. Fünf Jahre später habe ich gesagt: ›Okay, wenn ich es mache, dann will ich es ordentlich machen‹. Ich habe dann in Wien studiert und mit Professor Karlheinz Hanser einen tollen Lehrer gefunden, es war Liebe auf den ersten Blick, wie man so sagt.

Du hast Dich musikalisch seit Deiner Kindheit in verschiedenen Genres bewegt: Traditionelle kroatische Musik, Rock, Heavy Metal und Oper. Gibt es für Dich Grenzen in der Musik?

Ich glaube, Musik dient vor allem dazu, Emotionen und Gefühle auszudrücken. Wenn es nicht möglich ist, sie in Worte zu fassen, gibt uns Musik die Möglichkeit, uns auszudrücken. Den einen berührt diese Art von Musik mehr, den anderen eine andere. Daher gibt es für mich keine Grenzen. Wenn man Musik hört, passiert etwas in einem.

Musik ist Liebe. Sie ist in der Lage, Menschen zusammenzubringen und zu verbinden.

Grenzen tun sich für mich eher auf, wenn Musik produziert wird, die Menschen negativ berühren und sie auseinanderbringen soll. Musik, die ausgrenzt, lehne ich ab. Die Botschaft, die transportiert wird, ist für mich elementar.

Was machst du, wenn du nicht in der Oper bist?

Meine Freunde sind mir sehr wichtig und auch, ein Umfeld außerhalb der Oper zu haben. Aber ich treffe auch öfter meine Kollegen von der Oper, die Freunde geworden sind. Genau hier haben wir schon zweimal gegrillt. Gutes Essen ist meine Leidenschaft (lacht). Ich koche sehr gern, wenn ich die Zeit dafür finde, dann gibt es immer ein Essen für meine Freunde. Ich bin gern mit den Menschen zusammen, die ich mag, dann ist das Leben noch schöner. Als Sänger ist es wichtig, fit zu sein, also mache ich in meiner Freizeit auch Sport. Es kostet Kraft, auf der Bühne zu singen und zu spielen. Handball spiele ich ja seit meiner Kindheit, es macht mir sehr viel Spaß und ich kann damit gut Kondition aufbauen. Meine Teamkollegen sind auch Freunde geworden. Es ist auch schön, Zeit mit Nicht-Musikern zu verbringen, die fragen: ›Wie funktioniert das?‹ 27 davon waren letzte Spielzeit in einer Vorstellung von ›La Traviata‹, da singe ich Doktor Grenvil, das ist eine kleine, aber schöne Partie. Da habe ich natürlich einen riesigen Applaus bekommen und alle Kollegen, die die Hauptrollen gesungen haben, schauten mich an, weil es untypisch ist, dass so eine kleine Rolle so viel Applaus bekommt. Dann habe ich gesagt: ›Meine Handballmannschaft ist da‹. Vielleicht sollte ich sie bei einer wichtigen Premiere engagieren, damit sie klatschen. (lacht) Einen Teil der Theaterferien verbringe ich dieses Jahr in Krk, da hat meine Familie ein Haus, dort bin ich seit meiner Kindheit immer wieder. Ich genieße dort das kroatische Meer, das Essen und die Sonne und ich lese. Und ich meditiere in dieser wunderschönen Natur. Mit meditieren meine ich aber nicht, sich hinzusetzen und die Augen zu schließen, sondern einen Platz für mich zu finden, mir Zeit zu lassen und zu versuchen, alle wichtigen Antworten, die das Leben verlangt, zu beantworten. Ich versuche auch in meinem Alltag jeden Tag ein paar Minuten zu finden, um zu reflektieren. Als Musiker sind wir jeden Tag –schon in Hinblick auf die Opernstoffe – mit so vielen Fragen konfrontiert: ›Was ist das Leben? Was ist die Liebe? Was bedeutet Freundschaft, was Familie?‹ Und so weiter.

Für mich ist es wichtig, dass ich wach bin und dass alles, was ich tue, bewusst ist.

Deswegen bin ich der Meinung, dass es wichtig ist, sich jeden Tag ein paar Minuten zu nehmen und den Tag zu analysieren. Sich die Situationen zu merken und die Blicke, und sich zu fragen, was konkret das bedeutet hat, was man daraus gelernt hat, und an sich selbst zu arbeiten. Sich selbst zu entwickeln, nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch. Ich singe auch sehr gern Lieder, die kann man sehr schön interpretieren. Dafür muss man sich intensiv mit ihnen beschäftigen, Lieder sind sehr poetisch. Auch da ergeben sich immer viele Fragen und man muss versuchen, Antworten darauf zu finden. Man ist ein besserer Künstler, wenn man ein besser entwickelter Mensch ist, glaube ich. Ich habe in der Vergangenheit auch Liederabende gemacht, momentan hatte ich leider keine Zeit dafür. Gerade arbeite ich an zwei Vaughan Wiliams-Zyklen, ›Songs of Travel‹ und ›The House of Life‹. Es sind englische Lieder mit Klavierbegleitung und sie sind wirklich etwas Besonderes. Ich würde sie gern aufnehmen. Aufnehmen würde ich auch gern noch Strauss, Brahms, Schumann und Schubert.

Was magst Du besonders an Deinem Job?

Ich empfinde es ehrlich gesagt nicht wirklich als Job, ich würde auch in der Oper singen, wenn es nur ein Hobby wäre. Manchmal passieren so Sachen, und man bekommt eine Stimme geschenkt, von der Natur, von Gott, wie auch immer man das sehen möchte. Man erhält ein Talent. Und man sollte jeden Tag dankbar sein, wenn man einen Job hat, den man nicht als Job empfindet; der einfach nur Spaß macht. Und wenn die Leute sehen, da kommt eine positive Energie, dann bekommt man die auch zurück. Vom Publikum und von den Kollegen.

Was würdest Du machen, wenn Du nicht Opernsänger wärst?

Geschichte hat mich immer interessiert und Psychologie und Philosophie. Ich glaube ich würde dann so etwas studieren. Psychologie und Philosophie interessieren mich auch in meiner Freizeit. Gerade lese ich ›Die Gespräche mit Gott‹ von Neale Donald Walsch. Das ist ein sehr interessantes Buch, es handelt sich um keine konkrete Religion, sondern ein Mensch beschäftigt sich darin mit Lebensfragen und beantwortet sie aus sich heraus. Oder ich würde dann Sport machen. Vielleicht würde ich professionell Handball spielen. Es ist nicht leicht, in die erste Liga zu kommen. Genau, wie es nicht einfach ist, an die Staatsoper zu kommen.

Aber wenn man daran glaubt und dafür arbeitet – dann ist alles möglich.

Das Internationale Opernstudio der Staatsoper Unter
den Linden wird von der Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung gefördert.

Das Interview führte Peggy Zenkner.
Fotos: Johannes Xaver Zepplin

Neuer Kommentar

Verfasse jetzt einen Kommentar. Neue Kommentare werden von uns moderiert.