Hörtipps zu Weihnachten

Beim letzten Kaffee mit der Dramaturgie in diesem Jahr gibt Detlef Giese neben seinen Einschätzungen über die digitale Welt auch wieder wertvolle Veranstaltungs- und CD-Tipps. Frohe Festtage!

Weihnachtszeit ist Liederzeit, wer möchte das bezweifeln. Und so haben wir uns im Kollegenkreis zusammengefunden, um etwas aus dem reichhaltigen Liedgut adventlicher und weihnachtlicher Art, geistlicher wie weltlicher Provenienz, zu intonieren. Ausgeschlossen blieben allein solch bemüht fröhlichen, über den Großen Teich herübergeschwappten Stücke wie »Jingle Bells« oder »White Christmas« – und auch das rotnasige Renntier ist bei uns nicht vorbeigeprescht. Hat eigentlich durchaus Spaß gemacht, wenngleich – wie kann es auch anders sein – Mutter Natur nicht Jeder und Jedem von uns Gold oder gar Platin in die Kehle hineingelegt hat. War aber ohnehin nur sekundär, kam es doch – wie unsere altvorderen Reformatoren schon wussten – primär darauf an, die versammelten Stimmen in einträchtiger Harmonie erschallen zu lassen und aller Variantenheterophonie zum Trotz optimistischen Gemeinschaftsgeist zu demonstrieren. Ich darf an dieser Stelle nämlich bemerken, dass ich ausnehmend gute, geradezu phantastisch zu nennende Kollegen habe, die zu sehen und mit ihnen zu arbeiten ein tägliches Vergnügen ist. Desgleichen sei hier, so kurz vor Weihnachten, Denjenigen herzlich gedankt, die sich mit nimmermüdem Eifer und mit nie erlahmendem »Angaschemang« um diesen Blog kümmern, ihn vor nunmehr einigen Monaten ins Leben gerufen haben und ihm seitdem wie einer anspruchsvollen Zimmerpflanze oder einem verwöhnten Haustier regelmäßige Pflege angedeihen lassen. Ich darf sie einmal namentlich nennen, da sie ansonsten oft genug im Hintergrund verbleiben anstatt sie ans Licht zu ziehen: Chiara, Ruth, Victoria, Roman und Marc sind es, die hier zu loben und zu preisen sind, oder mit den Worten der Digedags (vielleicht kennt noch jemand diese einst sehr populären Comicfiguren?): »Ohne euch wären wir noch lange nicht soweit.«

In Sachen des Blogges – und des Internetzes generell – bin ich ja immer noch ein Lernender. Neulich haben mir die besagten Kollegen einen vollkommen nicht-virtuellen Aufkleber in die Hand gedrückt. Auf ihm sind einige Logos (man sagt, glaube ich, richtigerweise »Icons« dazu) zu sehen, die allesamt mit der digitalen Welt (die offensichtlich nicht deckungsgleich mit der Welt der Digedags ist) zu tun haben. Einige von ihnen habe ich sogar auf Anhieb erkannt, bei anderen musste ich mir auf die Sprünge helfen lassen. Das Teil, nicht größer als vier mal vier Zentimeter, habe ich jedenfalls inzwischen an meinen Computerbildschirm geklebt, damit ich es stets im Blickfeld habe und mir Alles in der rechten Weise einpräge.

Nun ist es so, dass ich die bewussten »Icons« nach ästhetischen Gesichtspunkten – und nicht etwa nach inhaltlichen oder gar funktionalen – beurteile. Ein Logo muss in erster Linie schön und anmutig sein; was es repräsentiert, ist hingegen zweitrangig.
Sechs dieser »Icons« sind es, auf die mein Auge täglich ruht. Das erste, ausgesprochen klar in der Formgebung, quasi schnörkellos, zeigt ein kleines f, das für ein inzwischen sehr angewachsenes soziales Netzwerk steht. Es ist ein wenig nüchtern gehalten und zeigt so gar keine internen Vernetzungen und Verschaltungen, wiegt stattdessen die Benutzer in scheinbarer Sicherheit. Das nächste wird von einem kleinen g beherrscht, an das oben rechts noch ein Pluszeichen angekoppelt ist. Dieses Logo war mir bis dato unbekannt, obwohl sich ein durchaus bekannter Markenname dahinter verbirgt. Es handelt sich nämlich um »Goggel«, dessen Dienste ich ja ab und an in Anspruch nehme. »Goggel Plus« (sprich natürlich »Plass«) ist – wie ich mir habe sagen lassen – so was Ähnliches wie das Dings mit dem f, aber nicht so weitreichend und mit einem anderen Image, was auch immer das bedeuten mag. Das dritte erkannte ich sofort: Das lustige Vögelchen von »Twitter«. Es ist vielleicht ein klein wenig zu dicklich geraten, wenn man mal die Intention unterstellt, dass es Tempo und Dynamik symbolisieren soll. Etwas gemütlich kommt es daher, wenn auch in fliegender Gestalt. Andererseits: Die Brieftaube ist auch kein Falke und hat doch der Menschheit unschätzbare Dienste geleistet. Icon Nr. 4 ist so etwas wie eine Kamera. Aha, dachte ich mir mit untrüglichem Scharfsinn, das hat bestimmt was mit Bildern zu tun. Und in der Tat, das ist das Zeichen für »Instagrämm«, wo es Fotos jeglicher Art zu bewundern gibt, die irgendwer für irgendwen dort hingetan hat. Verwandt damit ist das nächste Phänomen, dessen Logo mir ehrlich gesagt am besten gefällt, obwohl ich vor dem wohlmeinenden Ratschlägen (es hätten auch Rad-Schläge sein können) meiner Kollegen davon noch nichts vernommen hatte. Zu sehen ist ein Kreis, darinnen ein zum Teil verschnörkeltes, an einen gelehrten griechischen Buchstaben erinnerndes P platziert ist. »Pinterest« nennt sich diese Sache, eine Art virtuelle Pinnwand, die man für sich selbst und andere nutzt, um das, was von tatsächlichem wie von vermeintlichem Interesse ist, der Öffentlichkeit preisgibt. Ein durchaus signifikanter Unterschied zu meiner Pinnwand im Büro, auf der sich eigentlich nur die Infos befinden, die für mich gerade aktuell sind: die neuesten Produktionspläne für Opernprogrammhefte beispielsweise, die unverzichtbaren täglichen Probenpläne, die darüber Auskunft geben, wann und wo was passiert und natürlich der wöchentlich neu erscheinende Speiseplan für »die beste Kantine« ever, wie nach unbestätigten Angaben ein berühmter Künstler einmal verlautbart haben soll. Ich finde, zumindest diesen Plan sollten wir auch einmal dem besagten »Pinterest« zugänglich machen, da er doch gewiss allgemeiner Aufmerksamkeit sicher sein kann.

Das sechste und letzte Icon ist das mir am meisten bekannte. Es kommt auffallend schlicht daher, ohne jegliche Buchstaben, sondern lediglich mit einem kleinen weißen Dreieck auf einem leicht abgerundeten Rechteck. Auf meinem CD-Player habe ich neulich dieses Zeichen wiedergefunden: Es gibt das »Play« an, man kann also offenbar etwas damit abspielen. »Ju tjub« öffnet sich, wenn man dieses Logo aufruft, wenn es denn gerufen sein will. Berufen kann man sich immer darauf, ist es doch eine Plattform, auf der berufene Künstler gar zahlreich nach Nam’ und Art vertreten sind, auf der sich aber auch diverses Personal tummelt, dessen Kompetenz nicht immer allerhöchsten Maßstäben entspricht. Ungeachtet dieser qualitativ recht großen Spannbreite ist dieses Logo nur von besonderer Klarheit und Elegant – schon deshalb möchte ich es nicht missen.

Nicht verzichten sollte man auch auf die vielen künstlerisch gar bedeutsamen Lieder, die man dort finden kann. Immerhin ist die Weihnachtszeit ja, wie ich eingangs erwähnte, zugleich Liederzeit. Es verlohnt sich also, selbst zu singen, aber auch, für sich singen zu lassen. Im neuen Jahr ist dazu Gelegenheit bei uns im Schiller Theater. Vier Liederabende gleich warten auf Publikum – sie seien ausdrücklich empfohlen. Vier Solisten aus der Staatsoper singen: in der Reihenfolge ihres Auftritts sind das Roman Trekel, Evelin Novak, Katharina Kammerloher und Arttu Kataja. Da sie teils aus Ländern kommen, in denen man zwar auch Schubert, Schumann, Brahms, Wolf und Mahler singt, aber auch anderes, gibt es an zwei Abenden kroatische und finnische Lieder – wann hört man dergleichen schon? Aber auch einige ausgesprochene Klassiker gibt es, wie etwa Schuberts »Winterreise« mit Roman Trekel. Dieses Ausnahmewerk hat er bereits zwei Mal auf CD aufgenommen und viele Male live gesungen. Aber auch Brahms, Wolf und Schumann gehören zu seinen Favoriten. Schumann zumal gibt es auch in einem Abend mit Thomas Quasthoff, der Texte von Heinrich Heine, dessen Gedichte Schumann so unvergleichlich vertont hat, rezitiert, während der Bariton Florian Boesch und sein Pianist Justus Zeyen verschiedenste Heine-Lieder zu Gehör bringen werden. Die Heine-Lieder Schumanns gehören wohl zum Besten, was das Zeitalter der musikalischen Romantik hervorgebracht hat. Man möge sich, so meine Empfehlung, Einiges davon wieder einmal anhören: den »Liederkreis«, den »Armen Peter«, die »Lotosblume«, die Balladen »Belsatzar« und »Die beiden Grenadiere« und natürlich die »Dichterliebe«, jenen Zyklus, der zum Inbegriff des romantischen Liedes geworden ist. Verschattet, sogar ein wenig vergrübelt, hat ihn der große Liedsänger Dietrich Fischer-Dieskau, der sich über seine gesamte Karriere hinweg immer wieder mit Schumann beschäftigt hat, Mitte der 1970er Jahre gemeinsam mit Christoph Eschenbach eingespielt, mit einer genauen Beachtung des Zusammenstimmens von Wort und Ton. Kurz zuvor war es Peter Schreier, langjährig Ensemblemitglied der Berliner Staatsoper, der mit Norman Shetler am Klavier der »Dichterliebe« eindringlich Präsenz gegeben hat – mit großer Natürlichkeit der Klanggebung, einem organischen Fluss der Melodielinien und einer ganz und gar ungekünstelten Form des Vortrags. Und dann ist natürlich noch Fritz Wunderlich zu nennen, jener ingeniöse, tragisch ums Leben gekommene Sänger, der 1965 Schumanns Meisterwerk aufgenommen hat – mit überzeugender gestalterischer Intelligenz und einer stimmlichen Leuchtkraft, die auch nach einem halben Jahrhundert nicht verblasst ist.

Peter Schreier und Fritz Wunderlich waren nicht nur erstklassige Liedsänger, sondern auch zwei herausragende Interpreten des Tamino in Mozarts »Zauberflöte«. Ein Sänger, der in ihre Fußstapfen getreten ist und demnächst im Schiller Theater bereits zum 100. Mal als Tamino auftreten wird, ist der immer noch recht junge Tenor Pavol Breslik. Auch er hat eine Lied-CD aufgenommen, mit Musik seines slowakischen Landsmanns Mikulaš Schneider-Trnavský (das sieht schon so aus, als ob man es kaum aussprechen könne). Insgesamt 25 seiner in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts komponierten Lieder, mal sehr kunstvoll ausgestaltet, mal betont folkloristisch angelegt, singt Pavol Breslik, begleitet von seinem Pianisten Róbert Pechanec. Zum Kennenlernen laden diese Melodien ein, unter dem Weihnachtsbaum oder auch späterhin.

Ein frohes Fest und einen angenehmen Jahreswechsel, mit oder ohne Internetz, in jedem Falle aber mit schöner Musik von Schumann & Co. wünscht, mit den besten Empfehlungen bis zum nächsten Mal

Euer Detlef Giese

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