Kreativ war die Moderne in Wissenschaften, Künsten und Techniken; dagegen hat sie – im Vergleich mit ihren vielfältigen Versuchen, alte Mythen wiederzubeleben – nur wenige neue Mythen hervorgebracht. Zu diesen neuen Mythen gehört CARMEN, eine Erzählung, die den Vergleich mit antiken und mittelalterlichen Stoffen – von Orpheus und Eurydike bis Tristan und Isolde – ebenso wenig zu scheuen braucht wie den Vergleich mit Faust oder Don Juan. mehr …
Richard Strauss suchte für seine Oper DER ROSENKAVALIER nach einem leichteren, heiteren Stoff im Stil von Mozarts Opernkomödien – ein Ansinnen, auf das sich auch Hugo von Hofmannsthal gern einließ. Er schuf mit seinem Libretto ein künstliches Rokoko-Wien mit ebenso überzeugenden wie erfundenen Bräuchen und Dialekten, das Strauss auf musikalischer Seite noch mit anachronistischen Walzern veredelte. Im diesem Fantasie-Wien voller Lebenslust, Schwänke und althergebrachter Standesgrenzen, aber auch voll Depression und Morbidität spiegelt sich nicht nur das 18. Jahrhundert, sondern erst recht die dem Ende zusteuernde Belle Époque. Angesichts der anstehenden Premiere am 9. Februar 2020 beleuchtet Dramaturg Benjamin Wäntig die im ROSENKAVALIER liegende Modernität. mehr …
Wer ist Dalila? Dramaturgin Jana Beckmann geht dieser Frage in einem Essay nach.
Als hypersexualisierter Lolita-Verschnitt im Negligé oder kaltblütige Prostituierte, die den prophetischen Held Samson durch ihre Verführungskünste zu Fall bringt, wird Dalila in vielen Deutungen entweder die eine oder andere Rolle zugeschrieben. Dabei ist Dalila im Buch der Richter, Kapitel 16 vom Wesen her eine weitgehend unergründliche Frau.
mehr …
Unter der Leitung des Dirigenten Rolf Reuter spielte die Staatskapelle Berlin am 5. November 1989 in der Gethsemanekirche ein »Konzert gegen Gewalt« – dabei forderte Reuter öffentlich: »Die Mauer muss weg«. Heute – 30 Jahre später – erinnern sich Rainer Auerbach, Solo-Trompeter der Staatskapelle, der damals Mitinitiator war, sowie Sophia Reuter, Bratschistin bei der Staatskapelle Berlin und Tochter des Dirigenten, an dieses denkwürdige Konzert. mehr …
Das Böse kennt keinen Trost. Kain erschlägt seinen Bruder Abel und begeht damit den ersten Mord in der Geschichte der Menschheit. Die Empfindung von Neid, Ungleichheit und Ungerechtigkeit als Ursprung unmoralischen Handelns und Selbstjustiz ist das Thema unserer nächsten Premiere: IL PRIMO OMICIDIO. »Woher kommt das Böse?« und »Ist unsere Gesellschaft am Ende der Empathie angelangt?«, diese und weitere Fragen stellt Dramaturgin Jana Beckmann.
mehr …
Eine Heimat zu haben, ist viel wert. Heute hier und morgen dort zu sein, mag zwar reizvoll sein und gehört gerade für Künstlerinnen und Künstler häufig auch zum Alltag – wie gut aber ist es, wieder zu einem Fixpunkt zurückkehren zu können, um von dort aus wieder in die Welt und zu neuen Ufern aufzubrechen. 25 Jahre und länger an einem Haus zu sein, zumal an einer solch renommierten Institution wie der Staatsoper Unter den Linden, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern demonstriert eine ganz besondere Nähe und Verbindung. mehr …
Die Reihe LINDEN 21 geht in die nächste Runde: Im Apollosaal gelangt Samuel Becketts »Words and Music« mit Musik von Morton Feldman als Live-Hörspiel zur Aufführung. Dramaturg Benjamin Wäntig beleuchtet die verwinkelte Entstehungsgeschichte und die spezielle Rolle der Musik in diesem Stück.
mehr …
Am 9. März feiert Jörg Widmanns Oper »Babylon« in einer überarbeiteten Berlin Fassung Premiere an der Staatsoper Unter den den Linden. Der Komponist stellt die multikulturelle Gesellschaft der vorantiken Hochkultur-Metropole ins Zentrum seiner Oper. Dramaturg Roman Reeger beleuchtet den Mythos Babylon.
mehr …
»himmelerde«, das am 17. Januar 2019 in der Staatsoper Unter den Linden uraufgeführt wurde, greift auf Motive der Romantik zurück. Dramaturgin Jana Beckmann beleuchtet die Epoche, ihre Begleitumstände und Protagonisten.
mehr …
Beziehungsreich stehen die Gestalten in der griechischen Mythologie in ihrer Welt und zueinander. Nicht von ungefähr haben sich Opernlibrettisten und -komponisten seit jeher beständig von jenen alten, immer wieder neu faszinierenden Erzählungen anregen lassen, von mündlich überlieferten, später dann auch schriftlich fixierten Geschichten, in denen – mit mancherlei Variationen und alternativen narrativen Strängen – die Urgründe und Motivationen wie die Irrungen und Wirrungen des Denkens, Fühlens und Handelns von Göttern, Halbgöttern und Menschen zum Vorschein gelangen.
mehr …
Wie ein einsamer Riese stand er inmitten seiner Zeit. Jean-Philippe Rameau, von der Nachwelt als ein hochorigineller Repräsentant der französischen wie der europäischen Musikkultur angesehen, blieb zeit seines Lebens ein Unangepasster, ein Nonkonformist, gar ein Außenseiter.
mehr …
Claudio Monteverdi (1567–1643) war der tonangebende Komponist in Italien um 1600. Seine Musik entwickelte sich weg von der a-cappella-Vokalpolyphonie der Renaissance hin zu einem expressiveren Stil für Solostimmen und Begleitung, wie er für den musikalischen Barock typisch wurde. Seine neun Madrigalbücher, drei Bücher mit geistlicher Musik und die drei überlieferten Opern sind sowohl Zusammenfassung wie auch Revolution der damaligen Möglichkeiten.
mehr …
»Einen Großteil von Skalkottas’ sinfonischem Genie gilt es noch zu entdecken: Seine sinfonische Musik muss vielleicht so lange auf Anerkennung warten wie die Schuberts, dessen Charakter und Schicksal er in ziemlich vielen Punkten teilt, darunter seine Produktivität und die fehlenden Möglichkeiten (oder Interesse?), seine eigene Musik zu hören.« So schrieb der Musikwissenschaftler Hans Keller in einem posthum 1994 veröffentlichten Aufsatz über einen der bedeutendsten Komponisten Griechenlands: Nikos Skalkottas (1904–1949). Auch heute, fast 25 Jahre nach Kellers Feststellung, ist dessen Musik, die sich zwischen den Schulen und Stilen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zwischen Zwölftontechnik und Rückgriff auf griechische Volksmusik bewegt, kaum bekannter geworden. Höchste Zeit, das zu ändern: Das I. Abonnementkonzert der Staatskapelle Berlin am 8./9. Oktober 2018, geleitet von Daniel Barenboim, lädt nun dazu ein, eines der wichtigsten Werke des Komponisten, nämlich die Ouvertüre »Die Rückkehr des Odysseus«, kennen zu lernen.
mehr …
Mozarts »Zauberflöte« ist ein Phänomen: die weltweit meistgespielte deutschsprachige Oper, hierzulande der Klassiker für Operneinsteiger, aber genauso für langjährige Fans. Denn trotz ihrer Bekanntheit lässt sich die Handlung dieser Oper kaum auf einen Nenner bringen, da sich alles als anders entpuppt, als es auf den ersten Blick scheint: Die abenteuerliche Geschichte von der Rettung Paminas aus den Fängen Sarastros wandelt sich zum vom Freimaurertum inspirierten Ideendrama, die anfangs so klare Grenze zwischen Gut und Bösen verschwimmt; schließlich sehen sich Tamino, seine Geliebte Pamina und ihr gefiederter Gefährte Papageno plötzlich vor Prüfungen gestellt, die sie – zumindest im Fall von letzterem – gar nicht unbedingt bestehen möchten.
Die höchst disparate Geschichte hat im Laufe ihrer mehr als 200-jährigen Rezeption verschiedenste Deutungen erfahren, ohne dass jemals eine Interpretation alle Rätsel der »Zauberflöte« auf einmal hätte lösen können. mehr …
Die Wagner-Tradition der Staatskapelle Berlin ist lang und reichhaltig. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts setzt sie ein, am 1. Juli wird sie fortgeschrieben, mit zwei Kompositionen, von denen eine von Richard Wagner selbst stammt, während das andere Themen und Motive aus seinem musikgeschichtlich wohl einflussreichsten Werkes verarbeitet.
mehr …
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bildeten sich zahlreiche Militärdiktaturen in Südamerika heraus, die durch gewaltsame Umstürze an die Macht gekommen waren. Die brutale Absetzung der demokratisch gewählten sozialistischen Regierung von Salvador Allende am 11. September 1973, die durch einen von Augusto Pinochet geführte Militärputsch stattfand, gilt als hierfür als eines der prominentesten Beispiele. Doch auch in Brasilien, Paraguay, Uruguay und Bolivien herrschten in dieser Zeit Militärs, deren Geheimdienste in der Hochzeit des Kalten Krieges mit der amerikanischen Regierung unter dem Codenamen »Operation Condor« kollaborierten, um linke Oppositionelle zu verfolgen und zu töten.
mehr …
Es gibt Sujets, die wesenhaft etwas Nachtseitiges besitzen, die im Grunde nicht anders als düster und abgründig denkbar erscheinen. »Macbeth« gehört unzweifelhaft dazu, in Gestalt von Shakespeares Tragödie ebenso wie in jener von Verdis Melodramma. Durch den Dramatiker wie den Komponisten, zwei Giganten der europäischen Kultur, hat der historisch zwar greifbare, das Legendenhafte jedoch kaum einmal abstreifende schottische Warlord und König seine eigentümliche Physiognomie gewonnen. In einer gewalttätigen Zeit hat er gelebt, selbst nicht darum verlegen, Gewalt anzuwenden, wenn es seinen Zwecken dienlich war. Macbeth wurde zum Paradigma für einen Herrscher, der buchstäblich über Leichen geht und dem alle Mittel recht sind. Shakespeare und Verdi, jeder auf seine Weise, haben daraus ein Lehrstück geformt, vom erstaunlichen Aufstieg und tiefen Fall zweier Machtmenschen, Macbeth und seiner Lady, die unlösbar aneinander gekettet sind – sie primär als Antriebskraft, er als ausführendes Organ. Und obwohl in beiden Charaktere zumindest schemenhaft auch lichte Seiten aufscheinen, sind sie doch tiefschwarz gezeichnet, immerfort im schattenhaften Dunkel verbleibend.
mehr …
Etwa 500 Jahre nachdem Shakespeare 1605/06 »The Tragedy of Macbeth« niederschrieb, hat sich Macbeth zu einem der Archetypen entwickelt, die sich tief in das Bewusstsein des modernen Menschen eingeprägt haben. Macbeth zählt zu jener Gruppe von archetypischen Figuren, wie z. B. Don Giovanni und Faust, von denen man weiß, dass sie wirklich gelebt und eine konkrete Rolle in der Geschichte gespielt haben, anders als z. B. Odysseus oder Hamlet. Aber der Weg von der Geschichte zum Mythos lässt diejenigen, die ihn zurücklegen, nicht unverändert.
mehr …