Bonjour, Monsieur Lacroix!
Bereits zum dritten Mal entwirft Christian Lacroix Kostüme für die Staatsoper Berlin – wir haben mit ihm über Oper, Haute Couture und die neue Produktion »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« gesprochen…
»Das Theater, die Oper waren schon als Kind mein Traum, vielleicht war deshalb meine Mode auch immer so theatralisch und opernhaft. Jedenfalls fühle ich mich jetzt auf der richtigen Seite.«
Lieber Monsieur Lacroix, »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« ist bereits Ihre dritte Produktion mit Vincent Boussard an der Staatsoper Berlin – wie würden Sie Ihre Zusammenarbeit beschreiben?
Vincent Boussard und ich arbeiten bereits seit 15 Jahren als Team und haben schon viele Produktionen gemeinsam erarbeitet. Unsere Kollaboration zeichnet sich daher durch eine besondere künstlerische Verbundenheit und ‚Komplizenschaft’ aus. Wir kennen uns gut, ich weiß was ihm gefällt, aber wir versuchen stets, etwas Neues zu machen, nicht die gleichen ‚Gimmicks’ zu verwenden.
Wie nähern Sie sich einer neuen Produktion an? Womit beginnen Sie?
Als erstes höre ich mir an, was Vincent Boussard über die Dramaturgie der Oper sagt und welche Atmosphäre er sich vorstellt. Er zeigt mir Bilder, die ihn inspirieren und dann starte ich mit der Recherche, ausgehend davon, welche Wirkung erzeugt werden soll. Aus meinen Ideen wählt er Favoriten und ich beginne mit dem Zeichnen der Skizzen. Für jede Rolle entwickle ich mehrere Figurinen.
Viele Jahre haben Sie Haute Couture entworfen – worin sehen Sie Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zu Ihrer Arbeit als Kostümbildner?
Couture und Theater sind sich eigentlich sehr ähnlich: Die Couture-Kundinnen sind außergewöhnliche Persönlichkeiten, sie sind Heldinnen, haben einen extravaganten Lebensstil und wünschen sich zu besonderen Anlässen besondere Kleidung, die ihre Seele, Silhouette und Individualität zum Ausdruck bringt. Für mich klingt das genau nach dem was man tut, wenn man für eine Sängerin oder eine Schauspielerin das Kostüm zu ihrer Rolle entwirft – man hilft ihr, die Figur zu sein. Ich habe außerdem das Glück, überwiegend für die großen Opernhäuser in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder Frankreich zu entwerfen, wo wir oft mit den gleichen oder ähnlich hochwertigen Materialien arbeiten können, die ich schon für meine Kollektionen verwendet habe. Das Theater, die Oper waren schon als Kind mein Traum, vielleicht war deshalb meine Mode auch immer so theatralisch und opernhaft. Jedenfalls fühle ich mich jetzt auf der richtigen Seite.
Mahagonny ist ein Ort der Extreme: Eine utopische »Paradiesstadt«, die in einer pervertierten Form zum Zentrum von Dekadenz und einer anarchisch-hedonistischen Gesellschaft wird. Wie spiegelt sich dies in Ihren Kostümentwürfen wider?
Chaos trifft es vielleicht am Besten. Aber auch Lust, Ironie und Humor.
Wenn Sie für die Bühne entwerfen, sind Sie stets mit ‘zwei Personen’ gleichzeitig konfrontiert: Dem Sänger und der fiktionalen Figur. Wie gehen Sie damit um?
Bevor ich mit dem Zeichnen anfange, mache ich mir erstmal ein Bild von allen Sängern und ihrer Statur – denn die Kostüme müssen immer sowohl zum Darsteller als auch zur Rolle passen. Selbst wenn man sich zum Beispiel Dorabella in »Così fan tutte« als junge Lolita in Unterwäsche vorstellt, wird dieses Bild nicht funktionieren, wenn es nicht zur Persönlichkeit und Silhouette der Sängerin passt. Daher sollte man versuchen, damit zu arbeiten und beide Faktoren in die Entwürfe einfließen zu lassen. Schwierig wird es, wenn eine Produktion mit einer anderen Besetzung wiederaufgenommen wird. Idealerweise könnte man auch für diese Sänger individuelle, neue Kostüme entwickeln – das ist allerdings oft aus zeitlichen und Kostengründen nicht möglich.
Was ist Ihr persönlicher Eindruck von „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ – von Weills Musik und Brechts Text?
Das Stück ist so modern – es ist zeitlos und klingt, als wäre es erst gestern geschrieben worden!