Die falsche Freundlichkeit des elektrischen Lichts

AscheMOND oder The fairy queen in der Staatsoper Berlin

In »AscheMOND oder The Fairy Queen« treffen Sylvia Plath und Heinrich Heine auf William Shakespeare und Adalbert Stifter, und Oper trifft auf Film – UdK-Bloggerin Kajsa Philippa Niehusen hat für uns eine Rezension über das 2013 in der Staatsoper im Schiller Theater uraufgeführte Werk verfasst.

Zu Beginn von Helmut Oehrings Inszenierung an der Staatsoper Berlin fühlt man sich beinah wie im Kino, wenn Geflüster, Krächzen und Krähen im surround sound als bedrückende Ouvertüre den dunklen Saal erfüllen. Auch das Bühnenbild, ein Haus mit sich ständig verändernden Zimmern, erinnert mit seinen hohen Decken, seiner realistischen und gleichzeitig unwirtlichen Einrichtung an ein Filmset. Immerzu wird sich dieses Haus, in dem die gesamte Handlung stattfindet, drehen und verändern. Die Protagonisten schreiten von einem Zimmer ins nächste, und kaum etwas bleibt beständig, die Einrichtung und Atmosphäre der Zimmer befinden sich im ständigen Wandel – wie auch die Beziehungen der Protagonisten untereinander, die derart komplex und vielschichtig sind, dass es schwer ist, sie zu entschlüsseln.

Im Rhythmus der Jahreszeiten erzählt die Oper rückblickend, wieso im Prolog die Räume des Hauses schmerzhaft leer sind und in einer Ecke eine einsame Totenmesse mit Kerzen abgehalten wird. In den folgenden Akten des Stücks und den eingespielten Soundcollagen erschließt sich langsam das Schicksal, welches die Frau, um die im Prolog getrauert wird, erlitt.

Dreimal erleben wir die gleiche Szene zu Beginn eines Akts: Die Ankunft von Gästen zu einer kleinen Feier in dem Haus, was in seiner Einrichtung an die 50er und 60er Jahre erinnert. Neben den vier Männern und drei Frauen lebt dort auch ein Kind, das völlig fremd wirkt zwischen den Wachsfigur-artigen Erwachsenen. Die meiste Zeit huscht es verkleidet umher, es spricht nicht. Es weiß nicht, zu wem es gehört. Die Gesellschaft scheint kaum miteinander kommunizieren zu können, die Protagonisten interagieren nur selten und wirken teils wie versteinert. Immer wieder gibt es Annäherungsversuche, auch kurzweilige freudige Momente, die aber von umso verzweifelteren Stimmungen und Enttäuschungen gefolgt werden.

Die ständig wechselnde, sehr geschmackvolle und wohnliche Einrichtung der Zimmer kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Protagonisten dort nicht wohl fühlen. Im Gegenteil: Das Eigenheim scheint zum Alptraum zu werden, das Haus dreht sich immerzu wie ein Karussel auf dem Jahrmarkt, worauf die Protagonisten keinen Einfluss haben. Vielleicht wollen sie das auch gar nicht; denn wie apathisch starren sie vor sich hin, drängen nicht zurück nach draußen, als hätten sie schon aufgegeben. Unterstrichen wird dies durch Auszüge aus Werken Sylvia Plaths, in deren von Unsicherheit gequältem Universum wir uns hier zu befinden scheinen. „Ich war gefangen in der Atmosphäre des Hauses, die mich mit einer federwarmen, erstickenden Umarmung umschlang.“

Selbst das (Ehe-) Bett ist kein Rückzugsort, sondern ein Ort des Grauens. Wie eine Haut wird die Decke vom Bett gezogen, als würde darunter etwas Grausames zum Vorschein kommen – die Furcht vor dem eigenen Begehren? Plaths Texte klagen an: Warum werden Kinder in eine Märchenwelt hinein konditioniert, die von der wahren Welt kaum weiter entfernt sein könnte?

Die Märchenwelt, oder zumindest die der Feen, bricht mehrmals in das Haus ein; die Wände der Zimmer werden zu einem düsteren Wald. Der Feenchor vermag zu singen, die Feenkönigin aber ist taubstumm. Zu ihr hat die Hauptprotagonistin, im Gegensatz zu ihren Gästen, eine Verbindung, beginnt, über Gebärdensprache mit ihr zu kommunizieren. Immer wieder wird im Laufe des Stücks von Schweigen und Ruhen gesungen, und immer wieder gibt es auch beinah harmonische Momente – auf die aber immer wieder das Drama folgt. Die Suche nach einer Seelenpartnerschaft, nach erfüllender Kommunikation und Verständis bleibt erfolglos. Was bleibt, ist die Einsamkeit inmitten von Menschen.

Wie auch das sich drehende Bühnenbild bieten die Texte in »AscheMOND oder The Fairy Queen« unzählige Blickwinkel und Ansatzpunkte, die in ihrer Vielschichtigkeit die ZuschauerInnen durchaus herausfordern. Inhaltlich erschließt sich die Inszenierung nur oberflächlich sofort; in die tieferliegenden Schichten kann man auch nach Ende des Stücks weiter vordringen, muss man vielleicht gar für ein vollständiges Verständnis. »AscheMOND« ist kein leichtes Stück; doch die Kombination aus barocker Musik Henry Purcells, Soundcollagen, Gebärdensprache, E-Gitarren-Klängen, Operngesang und gesprochener Sprache ist gleichsam mutig und stimmig, ebenso wie die gesanglichen und schauspielerischen Leistungen.

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