Ein echter Shakespeare!

Am 3. Oktober haben „Die lustigen Weiber von Windsor“ an der Staatsoper Unter den Linden, unter der musikalischen Leitung von Daniel Barenboim, Premiere. Vor 170 Jahren, im März 1849, fand die Uraufführung der „komisch-phantastischen“ Oper aus der Feder des Berliner Hofkapellmeisters Otto Nicolai dort statt. Wir haben mit Regisseur David Bösch über seine Inszenierung des Shakespeare-Stoffs gesprochen.

»Von den Elementen her sind sie beide echter Shakespeare. Diese Mischung aus Humor, Traurigkeit, Leichtigkeit und philosophischem Gehalt hat mich schon immer fasziniert.«

 

Was macht für Sie als Regisseur den Reiz der „Lustigen Weiber“
Jedes Werk, das sich auf ein Stück von Shakespeare beruft, ist etwas ganz Wunderbares weil sich darin getrennte Welten auf unverschämte Art verbinden. In diesem nicht allzu bekannten Stück, das auch im Schauspiel selten inszeniert wird, ist das sogar auf besondere Weise der Fall. Wir haben drei Welten: Die bürgerliche des mittelalten Ehepaars Fluth, in der alles, was in dieser Lebensphase an Problemen auftauchen kann, auf komödiantische Weise gespiegelt wird. Dann die lyrische, hochromantische Welt des junge Paares Fenton und Anna. Sie glauben wie Romeo und Julia an die wahre Liebe, die Unbedingtheit der Gefühle und wehren sich gegen die Eltern, die andere Pläne für sie haben. Und schließlich die dritte, buffoartig-anzügliche und frivole Welt von Falstaff.

Pragmatismus und hochromantische Liebe, Humor und eine für Sterbliche durchlässige Geisterwelt – alles Elemente, die auch in Shakespeares viel berühmterem „Sommernachtstraum“ zu finden sind. Sind die Stücke miteinander verwandt?
Von den Elementen her sind sie beide echter Shakespeare. Diese Mischung aus Humor, Traurigkeit, Leichtigkeit und philosophischem Gehalt hat mich schon immer fasziniert. Sie drückt sich auch in der Musik aus. Otto Nicolai hat die unterschiedlichsten Einflüsse seiner Zeit und der vorhergehenden Epoche zusammengefügt – zu einem schillernden, sehr ungewöhnlichen Werk.

Mozarts Geist und Mendelssohns Esprit?
Manche sagen, „Ach, er macht ein bisschen dies, ein bisschen das…“ Aber Nicolai setzt viele Elemente auf vorher unbekannte, schöpferische Weise zusammen. Das ist vielleicht das, was ihn musikalisch mit Shakespeares szenischer Vorgehensweise verbindet. Sie sind sich darin ähnlich. Wahrscheinlich sind die „Lustigen Weiber“ deshalb Nicolais bekanntestes Werk.

»Bei einer spielerischen Oper wie den „Lustigen Weibern“ kann man viel probieren. Falstaff bleibt auch bei uns eine komische Figur. Aber die Melancholie des Letzten, der wachbleibt, wenn alle Säufer eingeschlafen sind, ist auch eine Melancholie, die in der Welt Platz haben muss.«

Die Wurzeln Ihrer Arbeit als Regisseur liegen im Schauspiel. Woran mussten Sie sich gewöhnen, als Sie begonnen haben, bei einer Inszenierung zusätzlich mit Musik zu arbeiten?
Das ist bei jedem Werk anders. Das Werkzeug, das man konzeptionell und gedanklich für „Nabucco“ braucht, unterscheidet sich von dem für eine Nicolai-Komödie. Im Alltag ist die Arbeitsweise an der Oper bereits äußerlich strukturierter als beim Schauspiel – zum Beispiel, was die obligatorischen Probenpausen angeht. Inhaltlich haben wir beim Nicolai durch die Sprechtexte eine gewisse Freiheit.

Sprechtexte in Opern sind oft etwas sperrig und ihrer Zeit verhaftet. Was haben Sie in diesem Fall mit ihnen gemacht?
Wir haben die Texte entschlackt und ganz deutlich verkürzt, sie ein wenig modernisiert und versucht, ihnen ihren erklärenden Duktus zu nehmen. Besonders schön war, dass das nicht nur im Vorfeld mit dem Dramaturgen geschehen ist, sondern auch auf den Proben – mit unserem außergewöhnlich kreativen Ensemble. Die Sängerinnen und Sänger haben sich stark daran beteiligt. Sie sind alle sehr offen, sehr flexibel und tolle Darsteller.

Das bedeutet, dass die Dinge im Fluss sind und sich noch einiges bis zur Premiere ändern kann?
Man hört oft, dass in der Oper durch die Musik vieles wie etwa die Dauer einer Szene festgelegt ist. Das ist im Schauspiel nicht völlig anders – das Wort ist eben nicht nur Intellekt, sondern ebenso Klang und Atmosphäre. Bei einer spielerischen Oper wie den „Lustigen Weibern“ kann man viel probieren. Falstaff bleibt auch bei uns eine komische Figur. Aber die Melancholie des Letzten, der wachbleibt, wenn alle Säufer eingeschlafen sind, ist auch eine Melancholie, die in der Welt Platz haben muss. Und in dieser Oper, die eben nicht nur aus Slapstick-Elementen besteht, sondern aus drei verschiedenen Welten.

(Interview: Annette Zerpner)

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