Lese- und Hörtipps zu DIE LUSTIGEN WEIBERN VON WINDSOR

Pünktlich zum Wochenende hat unser Dramaturg Detlef Giese Euch eine Liste mit Lese- und Hörempfehlungen rund um unsere Eröffnungspremiere zusammengestellt.

Shakespeare zu lesen ist immer erste Wahl. Eine ganze Welt öffnet sich in seinen Dramen, reich und unerschöpflich. Kaum ein anderer Dichter hat die Menschen mit ihrem Lieben und Leiden, ihren Sorgen und Ängsten, ihrer Lebensfreude und tiefen Verzweiflung, aber auch mit teils vorder- teils hintergründigem Humor so durchleuchtet, dass wirkliche Charaktere von unverwechselbarer Art entstanden sind. Rund ein Drittel seiner ca. drei Dutzend Bühnenstücke gehört dem Genre der Komödie an. »Die lustigen Weiber von Windsor«, wahrscheinlich 1596/97 geschrieben, haben dabei besondere Popularität gewonnen, nicht zuletzt durch die markante Gestalt des Sir John Falstaff sowie der Fülle an skurrilen Personen und einem hohen Maß an Situationskomik. Es verlohnt in jedem Fall, den Shakespeare-Text (wieder) zu lesen, sei es im Original, in der »klassischen«, von romantischem Geist durchdrungene Schlegel-Tieck-Übersetzung (im Falle der »Lustigen Weiber« stammt die deutsche Übertragung von Wolf Graf Baudissin) oder auch in einer neueren, sprachlich spürbar drastischer, deftiger daherkommenden Version wie etwa derjenigen von Erich Fried aus den 1990er Jahren – as you like it.

Wer sich über das Wirken und Schaffen Shakespeares, auch über die Zeitumstände und das Theaterwesen der Elisabethanischen Ära auf anregende Weise informieren möchte, dem sei die Biographie des Londoner Autors Peter Ackroyd empfohlen. Gerade auch die Komödien, deren Aufführung und Rezeption, finden in seiner Darstellung Aufmerksamkeit, desgleichen die Schauspieler, die sie darboten und das zeitgenössische Publikum zu Beifallsstürmen hinrissen. Und es zeigt sich, dass schon damals die Figur des Falstaff, aus den beiden Teilen der Historie »Heinrich IV« den Theatergängern bekannt, ungemein populär war, so dass der Dichter eigens darauf hinwies, dass der beleibte Ritter von zweifelhaftem Ruf auch in den »Lustigen Weibern« auftrat.

Otto Nicolai war zwar nicht der erste – und auch nicht der letzte –, der eine Oper mit Sir John als Protagonisten komponierte (der Mozart-Zeitgenosse Antonio Salieri etwa kam ihm zuvor, Giuseppe Verdi sollte noch folgen), es ist aber das einzige dieser Werke, dass seine Uraufführung in Berlin erlebte, und zwar am Opernhaus Unter den Linden. Im Frühjahr 1849 kam das brillante, an musikalischen Einfällen ungemein reichhaltige Opus des Hof- und Domkapellmeisters Nicolai erstmals auf die Bühne, nach 170 Jahren ist es nun wieder präsent – eine willkommene Gelegenheit, sich die Geschichte unseres einzigartigen Hauses neu zu vergegenwärtigen. »Geschichte und Geschichten von den Anfängen bis heute« bietet das 1997 erschienene, von den damaligen Staatsopern-Dramaturginnen und -Dramaturgen Micaela von Marcard, Walter Rösler und Manfred Haedler geschriebene Buch »Das Zauberschloss Unter den Linden«. Im Abschnitt »Von Hugenotten, Holländern und Windsorweibern« findet man Einiges zu der besagten Premiere von Nicolais Meisterwerk, auch über das Umfeld, in welchem sie stattfand, in direkter Nachbarschaft zu Wagners »Rienzi«, Berlioz‘ »Fausts Verdammung«, Meyerbeers »Prophet« und Flotows »Martha«.

Und wer Nicolais »Lustige Weiber« vor unseren Aufführungen im Oktober einmal hören möchte, kann und sollte zu zwei Gesamtaufnahmen greifen: Einerseits zu der berühmt gewordenen Einspielung mit den Kräften der Bayerischen Staatsoper München aus dem Jahre 1963 unter dem Dirigat von Robert Heger (der im Übrigen lange an der Berliner Staatsoper aktiv war), mit legendären Sängern wie Gottlob Frick als Falstaff und Fritz Wunderlich als Fenton, anderseits zu einer Aufnahme von 1976, die mit der Staatskapelle Berlin unter Bernhard Klee produziert worden ist, mit einem deutsch-deutschen Ensemble mit u. a. Kurt Moll als Falstaff, Peter Schreier als Fenton, Edith Mathis und Bernd Weikl als Frau und Herr Fluth sowie Hanna Schwarz und Siegfried Vogel als Frau und Herr Reich. Für jeweils zweieinhalb Stunden kann man in die Welt Shakespeares und Nicolais eintauchen, in ihrer faszinierenden Mischung aus buffonesker Komödie und romantischer Atmosphäre.

Detlef Giese

Ein Kommentar

  • Barbara Harnischfeger
    schrieb am 07.06.2020 um 21:43 Uhr.

    Ich höre die Berliner Aufnahme gerade in SWR2. So phantastisch.
    Grüße aus Koblenz in der ehemaligen preußischen Rheinprovinz :))

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