Große-kleine Künstler auf der kleinen-großen Bühne
Am 31. Mai 2019 feierte das Kinderopernhaus Unter den Linden die Premiere seiner neuen Produktion DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN nach Prokofjews Oper im Alten Orchesterprobensaal der Staatsoper Unter den Linden. Unsere Hospitantin Maike hat eine der Endproben besucht und gibt euch einen kleinen Einblick in die Produktion.
Schon beim Betreten der kleinen Bühne im Alten Orchesterprobensaal der Staatsoper Berlin eröffnet sich ein Bild, das einem das Lächeln ins Gesicht malt, was während des ganzen 70-minütigen Kinderopernstücks DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN nicht wieder wegzuwischen ist. 22 Kinder im Alter von 9-14 Jahren stehen nebeneinander über die ganze Bühnenbreite aufgereiht und essen lautstark schmatzend Orangenstücke. Im ersten Moment sind es nur hinreißend anzusehende Kinder in liebevollen, niedlichen Kostümen und im nächsten Moment, sobald sie beginnen, ihren Prolog aufzuführen, werden sie zu richtigen, großen Schauspielern. Ohne Augenkontakt zueinander sprechen die Kinder zerstückelte Textpassagen und beenden sich gegenseitig nahtlos die Sätze – kein Holpern, kein Stocken, keine Ungereimtheiten. Es streiten die Tragiker und die Komödianten, welchem Metier das folgende Stück „Die Liebe zu den drei Orangen“ angehören sollte – die einen wollen Spaß und Lachen, die anderen fordern Tränen und Schauder, wie auf der großen Opernbühne.
Auch während dem bald beginnenden Märchen werden die Kinder-Theaterleute stets das Geschehen kontrollieren und versuchen, die Handlung in ihr Metier zu ziehen: Der König (Bassist Ingo Witzke) klagt über die schwere, lähmende Melancholie seines Sohnes. Die Komiker wollen für Heilung sorgen, indem sie sich mit Spaßmacher Truffaldino (Sopranistin Adriane Queiroz) regelrecht auf den Kopf stellen. Aber die Tragiker haben entgegengesetzte Pläne für den Prinzen (Tenor Daniel Arnaldos). Gemeinsam mit der bösen, schauderhaften Zauberin Fata Morgana (Mezzosopranistin Rowan Hellier) geben sie alles, um das Prinzenlachen zu verhindern. Es scheint, als hätten die Komödianten gesiegt, als der Prinz tatsächlich in Kichern ausbricht. Doch die Zauberin verflucht ihn mit der Liebe zu den drei Orangen – die Tragiker gewinnen die Überhand. Eine abenteuerliche, gefährliche Reise beginnt. Ob die Komödianten das Ruder noch herumreißen können und der Prinz die drei Orangen erreichen wird?
Seit September 2018 arbeitet das neu gegründete Kinderopernhaus Unter den Linden an seiner ersten Produktion. Einige der Kinder sind schon länger dabei und kennen sich aus den Stücken des Kinderopernhauses Lichtenberg. Dieses Mal sollte es eine richtige Oper werden, erklärt Regisseurin Ulrike Schwab. »Wir wollten den Kindern ermöglichen, das große Spektakel der Oper, die Wucht der Musik und das Eintauchen in eine andere Welt zu erfahren.« Nach diesem Ideal haben Uwe Sochaczewsky und Ulrike Schwab Prokofjews DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN für das kleine Musikerensemble und die große Kindergruppe bearbeitet. Sie haben das zweistündige Stück für Orchester und 16 Sänger auf sieben Instrumentalmusiker der Orchesterakademie und der Staatskapelle Berlin sowie vier Solisten zusammengeschrumpft.
»Als wir gehört haben, dass das Stück von Solisten gemacht werden sollte, waren wir ganz schön sauer und das haben wir dann auch gesagt. Die Sänger sind auch wichtig, aber es geht ja um uns!« erzählt Johanna aus dem Kinderensemble. Da war Regisseurin Ulrike Schwab ganz auf ihrer Seite: Sie richtete die Inszenierung danach aus, die Kinder zu stärken, sie als wirkliche kleine Künstler darzustellen und nicht nur als niedliche Unterstützung der erwachsenen Solisten – die Kinder sollten im Vordergrund stehen. Bei der Stückkonzeption hat sich die Regisseurin von anfänglichen Improvisationen der mitwirkenden Kinder über den Stückinhalt leiten lassen und entwarf die Rollen unter dem strengen Blick der kleinen Künstler, die mit Einwänden und Vorschlägen immer an der Entwicklung beteiligt waren. »Die Kinder haben ein solches Bedürfnis das Stück mitzugestalten. Sie wollen sich nicht zurückzulehnen und nur erwarten, was ihnen vom Regieteam angeboten wird, sondern wollen das Stück selbst formen«, so Ulrike Schwab.
Die jungen Darsteller sind demnach überall und immer dabei. Keiner der Solisten füllt seine Rolle alleine aus; sowohl schauspielerisch als auch gesanglich sind sie immer begleitet und mit-dargestellt von einem bis sechs Kindern. Und das funktioniert hervorragend! Der große Prinz wird von seinem inneren Kind ergänzt, die Köchin besteht leibhaftig aus sechs Kindern, die alle in ein großes Fleischkleid verwoben sind und Fata Morgana erwählt ihre listigen Gefährten. »Die Arbeit mit den Kindern ist so ehrlich!«, schwärmt Sängerin Adriane Queiroz über das Spielen mit den jungen Talenten. Während der Oper tönen die Kinder teils im Chor, teils in kleinen Passagen alleine, singen simultan mit den erwachsenen Sängersolisten, laufen als kleine Banda über die Bühne – es gibt sogar ein Trompetensolo von einem der Kinder. Dabei wird die nach kindlicher Ästhetik gestaltete Bühne (Rebekka Dornhege Reyes) durchgehend von den Händen der Kinder bewegt und verändert. Regina Lux-Hahn, Initiatorin und Projektleiterin des Kinderopernhauses Berlin, ist gerührt: »Ich platze vor Stolz!« Ein paar der Kinder erklären, wenn sie groß sind, möchten sie Schauspieler werden. Aber nach dem Stück kann man sagen: sie sind es doch schon!
Der Text wurde verfasst von Maike Graf.