Die Verlobung im Kloster –Interview mit Tenor Stephan Rügamer

Als »Schicksalsgemeinschaft von Unbekannten, die sich gezwungenermaßen zusammenfinden«, interpretiert Tenor Stephan Rügamer die Figurenkonstellation in Sergej Prokofjews 1940 komponierter und 1946 uraufgeführter lyrisch-komischer Oper »Die Verlobung im Kloster« Das lässt ahnen, dass dieses Werk einige Untiefen hat. Wir haben Stephan Rügamer gebeten, uns mehr über die Inszenierung der »Verlobung« zu erzählen, die am 13. April an der Staatsoper Premiere feiert.

Wer sind Sie in der »Verlobung«?

Ich bin Don Jerome, ein verarmter Adliger, der in den Tag hineinlebt. Er kann nur schwer ertragen, wenn es mal nicht nach seiner Nase geht und steht gern im Mittelpunkt. Eigentlich meint er es immer gut, aber er setzt sich leider ständig in die Nesseln. Die Handlung ist sehr buffonesk – eine regelrechte Boulevardkomödie – und damit im Schaffen von Sergej Prokofjew eine Ausnahme. Entsprechend sind die Charaktere: Verarmter Adliger mit heiratsfähiger Tochter, reicher Fischhändler, Liebespaar, Buffopaar, Mönche, Masken, ein bisschen Dramatik, aber auch viel Situationskomik im Sevilla des 18. Jahrhunderts.

Als Textvorlage diente die Komödie »The Duenna« des Iren Richard Sheridan, die Prokofjew jubeln ließ: »Das ist ja wie Champagner! Daraus ließe sich eine Oper im Stile von Mozart oder Rossini machen.« Hat er das getan?

Man wird von »Così fan tutte« bis zum »Barbier von Sevilla« viele Elemente wiedererkennen. Prokofjew hat das Libretto 1940 gemeinsam mit Mira Mendelson geschrieben, seiner späteren zweiten Frau. Man merkt dem Werk diese neue Liebe an: Es sprüht einfach so vor Energie!

Woran orientiert sich die Musik?

Auch hier gibt es Anleihen bei Mozart und Rossini, aber trotzdem ist es original Prokofjews Tonsprache. Die Chromatik, die er vielfach verwendet, erinnert mich an Max Reger. Zunächst wirkt die Musik der »Verlobung« etwas sperrig, weil sich alle halbe Takte die Harmonie verändert. Aber das ist nie Selbstzweck. Es gibt beispielsweise eine Bühnenmusik im Dreivierteltakt, die sich durch eine ganze Szene zieht. Sie wird nie langweilig, weil Prokofjew die Harmonien während der ganzen Zeit moduliert, sie zwischen den verschiedenen Instrumenten hin- und herspringen lässt oder rhythmisch unterschiedlich gestaltet. Oft nutzt er einen volksliedhaften Ton, aber eben nur den Tonfall – die Musik ist angereichert mit allem, was er kompositorisch kann. Und den Unterton würde ich schon nicht mehr als ironisch bezeichnen, der ist fast schon sarkastisch.

Die Besonderheit der Inszenierung von Dmitri Tcherniakov ist, dass die Zahl der Rollen reduziert ist. Sängerinnen und Sänger müssen also sehr wandlungsfähig sein. Betrifft das auch Don Jérôme?

Wir sind alle neun immer auf der Bühne. Es gibt nicht viele Arien, nur ariose Teile, das meiste sind Ensembles. Man muss ständig mit den anderen interagieren, was wahnsinnig Spaß macht. Auch wenn man mal nichts zu tun hat, ist man Bestandteil der gesamten Inszenierung – und eine solche ist das Ganze im wahrsten Sinne des Wortes. Man taucht einfach ganz anders in eine Bühnenwelt ein, wenn man nicht nur auftritt, seine Arie singt und wieder abtritt. Das psychologisch raffinierte Vexierspiel der Charaktere erklärt sich komplett aus dem Stück: Wenn man genauer hinsieht, stellen sich die Situationen ganz anders dar, als man ursprünglich angenommen hat. Jetzt muss ich wirklich aufpassen, dass ich nicht zu viel »spoilere« (lacht). Soviel kann ich aber sagen: Es geht gleich in der ersten Szene ans Eingemachte!

Interview: Annette Zerpner

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