»MUSIK IST EINFACH LEBENDIG!«

Vor zwanzig Jahren wurde die Orchesterakademie bei der Staatskapelle Berlin gegründet. Daniel Barenboim wollte junge begabte Musikerinnen und Musiker in einem Ensemble versammeln, um ihnen mittels eines kontinuierlichen »learning by doing« Einblicke in den Berufsalltag in einem Spitzenorchester zu geben. Die Entwicklung der Orchesterakademie ist zu einer Erfolgsgeschichte geworden: Zahlreiche Stipendiatinnen und Stipendiaten haben bei bedeutenden Orchestern national wie international Fuß fassen können, nicht zuletzt auch in der Staatskapelle selbst. Anlässlich des Jubiläumskonzerts am 1. Juli haben wir mit zwei Akademistinnen und ihren Mentoren gesprochen.

Krzysztof, noch vor sieben Jahren warst du selbst Akademist, jetzt bist du seit fünf Jahren festes Mitglied in der Staatskapelle und zum ersten Mal Mentor. Wie kam es dazu?

KRZYSZTOF SPECJAL Eigentlich habe ich das spontan beim Probespiel entschieden: Ich habe Magdalena gehört und dachte, das kann passen, ich wollte es einfach ausprobieren. Nach eineinhalb Jahren kann ich sagen, dass es eine super Idee war – zumindest für mich … (lacht)
MAGDALENA HEINZ Für mich aber auch! Es war ein phantastisches Gefühl, das Probespiel gewonnen zu haben; als Krzysztof auf mich zugekommen ist, war ich noch überraschter, weil er mich auf Polnisch angesprochen hat. Im Unterricht sprechen wir auch oft Polnisch, das ist Luxus, es gibt keine sprachliche Barriere.
KRZYSZTOF SPECJAL Stimmt, es ist toll, in seiner Muttersprache miteinander sprechen zu können. Manchmal drücke ich mich musikalisch aber auch gerne auf Deutsch aus, weil ich ja hier ausgebildet wurde. Im Unterricht wechseln wir oft zwischen Deutsch und Polnisch.
Wie bist du an die neue Aufgabe als Mentor herangegangen?
KRZYSZTOF SPECJAL Ich habe versucht, viel von meinem Mentor zu übernehmen. Das war damals mein heutiger Kollege Mathis Fischer, der sehr viel Erfahrung mit der Ausbildung der Akademisten hat. Die Art der Vorbereitung, gerade mit Leuten, die noch nicht so viel Erfahrung haben – diese spezielle Herangehensweise habe ich von ihm gelernt. Und so bin ich mit Magdalena auch an die Sache herangegangen.
MAGDALENA HEINZ Ja, ich hatte nie vorher Oper gespielt, so dass mir diese Vorbereitung mit Krzysztof viel Sicherheit gegeben hat.
KRZYSZTOF SPECJAL Zu Beginn sind wir vor allem das Repertoire durchgegangen; jetzt arbeiten wir sehr intensiv an dem Probespielprogramm, damit es nach der Akademie weitergeht.
Was war denn dein erster Dienst in der Staatskapelle, Magdalena?
MAGDALENA HEINZ Meine erste Oper war »Tosca«, das war für mich komplett neu. Man muss sehr fokussiert zuhören, darauf achten, was der Dirigent und was die Sänger machen. Das ist eine große Herausforderung.

… und deiner, Isabelle?

ISABELLE MÜLLER Mein erster Dienst war das Brahms-Requiem mit Daniel Barenboim – die Klanggewalt des Orchesters und des Chors hat mich einfach nur umgehauen. Darüber hinaus dann noch in der frisch renovierten Oper zu spielen war schon ein absolutes Highlight. Mein zweiter Dienst war das Ballett »Giselle« mit einer Probe vormittags und dann abends direkt die Vorstellung – da war ich schon sehr nervös, weil nur eine Harfe besetzt ist. Aber je aufgeregter ich vorher bin, desto besser läuft es oft, weil ich dann auf einem anderen Konzentrationslevel bin.

Stephen, zu entscheiden, wann der Akademist so einen Dienst alleine bewältigen kann, ist bestimmt auch nicht leicht, oder?

STEPHEN FITZPATRICK Ja, das hat etwas mit Vertrauen und Verantwortung zu tun. Manchmal ist das aufregender als selbst zu spielen. Aber es nützt nichts, als Harfe muss man solistisch spielen. Daher ist es besser, die Akademisten auch schon in der Probe diese Erfahrung machen zu lassen und nicht daneben zu sitzen.

Isabelle, als Harfenistin hast du gleich zwei Mentoren, du arbeitest mit Stephen und dessen Kollegin Alexandra Clemenz. Wie genau sieht eure Zusammenarbeit aus?

ISABELLE MÜLLER Teilweise erarbeite ich die Stücke mit beiden, teilweise nur mit einem von beiden. Grundsätzlich ist es sehr bereichernd, von beiden zu lernen; jeder hat seine eigene Art zu spielen. Besonders profitiere ich aber auch, wenn ich im Orchester neben den beiden sitze und höre, wie sie spielen. Dadurch lerne ich die Art, im Orchester zu reagieren, flexibel zu sein und bekomme immer wieder neue klangliche und musikalische Ideen.

Wie ist es für dich, Stephen, mit den jungen Musikern zusammenzuarbeiten?

STEPHEN FITZPATRICK Ich finde es sehr schön, dass alle Akademisten so unterschiedlich sind und ich mit ihnen individuell arbeiten kann. Auch, wenn es nachher darum geht, Stellen zu bekommen.

Was ja gerade für Harfen schwierig ist, da die Zahl an Orchesterpositionen so begrenzt ist.

STEPHEN FITZPATRICK Klar, für uns ist das sehr schwierig, aber unsere ehemaligen Akademisten sind gut im Geschäft. Mit den Erfahrungen, die sie aus der Akademiezeit mitnehmen, haben sie gute Chancen!

Magdalena, deine Zeit in der Akademie endet im Sommer. Wo würdest du in Zukunft gerne spielen?

MAGDALENA HEINZ Sehr gerne würde ich eine Stelle in einem Orchester wie der Staatskapelle bekommen, um weiterhin beides zu spielen, Opern und Konzerte. Beides ist so unterschiedlich: Eine Oper dauert manchmal furchtbar lange (lacht) und die Musik ist ein Bestandteil von vielen – Bühne, Sänger, Schauspiel, Choreographie, Kostüme – da passiert so viel auf der Bühne und wir Musiker spielen im Orchestergraben. Dadurch schaffen wir ein Ganzes. Bei Sinfoniekonzerten hingegen steht die Musik im Mittelpunkt, das ist auch toll! Wenn ich weiterhin beides machen könnte, und dann noch auf diesem Niveau, das wäre phantastisch!

Auf welche bevorstehenden Programme freut ihr euch am meisten?

MAGDALENA HEINZ Mein nächstes Highlight ist auf jeden Fall das Gastspiel in Argentinien, noch dazu mit »Tristan und Isolde«, darauf freue ich mich besonders!
ISABELLE MÜLLER Ich freue mich vor allem auf das Prokofjew-Ballett »Romeo und Julia« und natürlich auf das Gastspiel nach Wien. Was ich aber auch sehr spannend finde, ist die nächste kammermusikalische Zusammenarbeit mit der Sängerin Sarah Aristidou aus dem Opernstudio und das Jubiläumskonzert mit Daniel Barenboim.

Und wie geht es euch nach euren fünf bzw. 20 Dienstjahren? Wird es da manchmal langweilig?

KRZYSZTOF SPECJAL Auch nach fünf Jahren wird es nie langweilig. Man fühlt sich im Repertoire zwar langsam wie Zuhause, aber es gibt immer wieder neue Erfahrungen!
STEPHEN FITZPATRICK Und nach 20 Jahren wird man auch immer wieder überrascht, jetzt z. B. mit Debussys »Le Martyre de Saint Sébastien«, das ich vorher noch nie gespielt hatte.
MAGDALENA HEINZ Auch wenn ich da noch nicht mitreden kann, glaube ich auch, dass es in der Musik keine Routine gibt. Jede Aufführung, jedes Konzert ist einmalig. Wenn ich ein Stück zum ersten Mal spiele, bin ich aufgeregt oder vielleicht auch angespannt. Jede Wiederholung bringt mir das Stück näher, aber es wird nie langweilig, man lernt es nur immer besser kennen und findet immer wieder neue musikalische Gedanken. Musik ist einfach lebendig!

Das Gespräch führte Katharina Wichate.

Neuer Kommentar

Verfasse jetzt einen Kommentar. Neue Kommentare werden von uns moderiert.