»Pures Glück« – Matthias Schulz und Michael Volle im Gespräch über die »Winterreise« von Franz Schubert

Michael Volle, an der Staatsoper in dieser Spielzeit u. a. als Wotan im »Ring des Nibelungen« zu erleben, und Intendant Matthias Schulz bringen am 6. Februar im Apollosaal Schuberts »Winterreise« zur Aufführung. Im Vorfeld haben wir mit beiden über das Werk und ihre musikalische Zusammenarbeit gesprochen.

 

Könnt ihr euch erinnern, wann ihr euch das erste Mal mit der »Winterreise« beschäftigt habt?

SCHULZ Bei mir war es Ende der 90er Jahre, also relativ spät. Ich war ein junger Klavierstudent und habe Alfred Brendel im Mozarteum umblättern dürfen. Das war für mich ein absolutes Erweckungserlebnis. Ich habe das Stück tatsächlich vorher nie gehört. Es gab eine Generalprobe, zu der der Sänger nicht erschienen ist, und Brendel hat einfach allein geprobt. Ich saß mit ihm im leeren Mozarteum und er hat in völliger Ruhe das ganze Stück von A bis Z durchgespielt. Gewisse Stellen, an die ich mich heute noch erinnern kann, die ihm irgendwie schwierig erschienen oder besonders wichtig, hat er dann mehrmals für sich gespielt. Als ich später in München Volkswirtschaft studiert habe, habe ich in einer WG mit einem Sänger zusammengelebt, dem Tenor Michael Suttner. Mit dem habe ich die »Winterreise« dann zum ersten Mal gespielt. Und dann haben Michael und ich mal locker nach einer Premiere gesprochen, warum die »Winterreise« das Tollste vom Tollen überhaupt ist. Ich habe gesagt: Wenn du mal einen Sparringspartner brauchst, dann mache ich das gerne. Und dann kam die Pandemie und wir haben einfach mal geprobt und gemerkt, dass das gar nicht so schlecht funktioniert.

»Beim Lied ist es so, dass man im Idealfall nicht viel reden muss. Und so ist es auch bei uns, weil wir auf einer Wellenlänge sind.«

VOLLE Das ist sehr schön ausgedrückt. Ich würde mich zu ganz anderem noch versteigen, aber dazu komme ich gleich noch. Ich bin pietistisch als Pfarrerssohn in Württemberg aufgewachsen. Die Gattung Lied war da nicht existent, genauso wenig wie Oper. Es gab eigentlich nur Barock: Bach und Schütz, nichts anderes. Es war schön und ich bin gottfroh über all das. Mit 25 habe ich dann angefangen zu studieren, zunächst Pädagogik mit Hauptfach Musik als Verlegenheitslösung nach dem Zivildienst. Da bekam ich Gesangsunterricht, zweimal 20 Minuten in der Woche, und habe auch mein erstes Schubert-Lied gesungen: »Lachen und Weinen«. Die »Winterreise« begegnete mir erst peu à peu im Studium. Ich weiß nicht, wann ich sie zum ersten Mal gehört habe, aber es war mit meinem hochgeschätzten Kollegen Wolfgang Schöne. Ich weiß auch nicht, wann ich meine erste gesungen habe. Irgendwann hat es angefangen und mich dann schlagartig in den Bann gezogen, das war wie ein Sog. Heute ist es mein meistgesungener Zyklus. Wie oft haben wir das nun schon gemacht, Matthias?

SCHULZ Ich glaube dreimal. In Salzburg und zweimal in Potsdam.

VOLLE Und jetzt noch Kleinmachnow. Also im Apollosaal wird es die fünfte »Winterreise« sein. Dazu kommen natürlich noch Aufführungen mit anderen Pianisten. Ich habe in Stuttgart einen Korrepetitor gehabt, der inzwischen zum Professor für Liedgestaltung in Weimar berufen wurde. Und dann kam Helmut Deutsch, das war ein ganz großer Glücksfall. Mit dem habe ich die »Winterreise« sehr oft gemacht. Unter anderem – Zufall oder nicht? – am 100. Geburtstag meines verstorbenen Vaters bei der Schubertiade in Schwarzenberg. Und dann kam eben der Herr Schulz. (lacht.) Neben deinen unglaublichen pianistischen Fähigkeiten habe ich bei dir immer das Gefühl, dass es auch ein bisschen wie eine ersehnte Ruhepause von der Hektik des Alltags des Intendantenjobs ist. Unsere Proben habe ich jedenfalls immer als unglaublich beglückend empfunden. Beim Lied ist es so, dass man im Idealfall nicht viel reden muss. Und so ist es auch bei uns, weil wir auf einer Wellenlänge sind. Im Dezember haben wir die »Winterreise« in Kleinmachnow gespielt, als Benefizkonzert für den Förderverein der Schule, auf die unsere Kinder gehen. Matthias lag in der Anspielprobe eigentlich die meiste Zeit unter dem Flügel, um die Pedale zu richten. Richtig proben konnten wir gar nicht und trotzdem war es ein Erlebnis, das ich noch selten hatte, so intensiv und innig. Das werde ich mein Lebtag nicht vergessen, wie auch unser Zusammensitzen danach. Einen Liederabend gemeinsam mit jemandem wie Matthias zu machen, das ist pures Glück.

»Liedgesang ist vielleicht das Intimste, was es in der Musik gibt.«

SCHULZ Das kann ich nur zurückgeben. Wie du sagst, ist Liedgesang vielleicht das Intimste, was es in der Musik gibt. Was man künstlerisch geben kann, muss man dort geben. Die »Winterreise« ist ein Zyklus, der alle Schattierungen von Melancholie zeigt, dann aber auch Hoffnungsschimmer, schließlich tiefste Depression. Um diese Bandbreite hervorzubringen, muss man einen gewissen Schutz aufgeben. Wenn man das nicht mit jemandem zusammen macht, mit dem man sich künstlerisch identifizieren kann, ist das eigentlich unvorstellbar.

VOLLE Ich stimme dir vollkommen zu, dass Lied das Intimste überhaupt ist. Für mich ist es auch das Schwerste. Sachs oder Elias sind auch schwer, klar, aber beim Lied bist du als Sänger so nackt und bloß. Du hast »nur« das Klavier, kannst dich hinter nichts verstecken, auch hinter keinem Kostüm, hinter keiner Aktion. Die »Winterreise« ist für mich der Gipfel des Liedgesangs und auch der emotionalen Intensität. Du stehst da 70 bis 75 Minuten an einem Fleck und musst 24-mal in kleinen Kurzopern etwas kreieren.

SCHULZ Und in jedem Takt passiert etwas. Man kann niemals innerhalb eines Liedes abschalten. Dieser Konzentrations-Sog, der da entsteht, enthebt einen völlig von allem, was man sonst so tut. Das tut gut. Auch wenn ich keineswegs mit dem Weg hadere, den ich eingeschlagen habe, merke ich beim Spielen, was man vermisst, wie wichtig das am Ende fürs Menschsein ist. Dich auf der Bühne als Jahrhundert-Wotan in diesem Ring zu erleben, hat so eine unfassbare Größe. Und dann sind wir da zusammen im Probezimmer eins und ich kann mit dir ganz alleine diese 24 Lieder machen. Das ist natürlich ein unglaubliches Privileg.

 

Wie gestaltet ihr eure Interpretation? Knüpft ihr an persönliche Erfahrungen an? Verbindet ihr besondere Erfahrungen mit bestimmten Liedern? Muss man vielleicht auch eine gewisse Erfahrung mitbringen, um die »Winterreise« interpretieren zu können?

VOLLE Eine Bekannte war einmal bei einem Arien-Liederabend von Edita Gruberova und hat mir erzählt, dass alles perfekt war, technisch ganz sensationell – aber nicht sehr berührend. Und dann hat sie als Zugabe Strauss-Lieder gesungen und plötzlich hat sich alles verändert, weil Gefühl dazu kam. Kein Pianist, kein Geiger spielt nur technisch, aber die menschliche Stimme transportiert so viel Emotion an sich. Liedgesang, insbesondere bei diesen 24, funktioniert nur mit totaler emotionaler Entäußerung. Es ist natürlich nicht nur durch schwierige und schmerzliche Lebenserfahrungen möglich, eine »Winterreise« zu singen. Man muss es vor allem erstmal singen, das ist nicht unheikel: Der Ambitus ist sehr groß, es ist zum Teil wahnsinnig viel Text auf schnellen Noten, dann muss man wieder ganz lyrisch singen, umschalten von Dur nach Moll. Und trotzdem bin ich froh, wenn eigene Gefühlslagen mit einfließen. Ich habe Gott sei Dank nie so ein Schicksal erlebt wie der Wanderer in der »Winterreise«, der sich eigentlich doch nur das Ende wünscht. Aber Schmerz und Verlassenheit und auch Zweifel an der Zukunft, das hatte ich schon. Das fließt sicher mit rein und macht unbewusst einen Großteil auch der Interpretation aus.

»Neben der Musik finde ich übrigens auch den Text faszinierend. Da steht das Wort ›Hoffnung‹ direkt neben ›Grab‹.«

SCHULZ  Es ist natürlich auf keinen Fall notwendig, eine Depression gehabt zu haben. Man muss die richtige Balance finden zwischen Emotion und Form. Das gilt immer in der Musik. Und ich finde es sogar falsch, der »Winterreise« irgendeine Sentimentalität zu geben. Sie braucht eine Direktheit und Unbedingtheit, das fand ich immer am tollsten. Du hast beim ersten Lied in Bezug auf Rubati gesagt, dass die Musik eigentlich ein ständiges Gehen braucht, das nie aufhört. Es ist so wichtig, dass sie eine Klarheit bekommt, durch die dann auch große Gefühle erweckt werden. Sentimentalität wäre nicht gut. Jeder Mensch kennt melancholische Stimmungen und diese Art von Erfahrung, das reicht aus. Wahrscheinlich hilft eine gewisse Lebenserfahrung, Ruhe in die Interpretation zu kriegen. Man muss loslassen. Als Student hatte ich das Gefühl, immer etwas machen zu müssen, damit es interessant klingt. Jetzt weiß ich, dass man diese Art des Loslassens zulassen muss. Das gilt übrigens für alle Lebenslagen. Neben der Musik finde ich übrigens auch den Text faszinierend. Da steht das Wort »Hoffnung« direkt neben »Grab«. Oder der Text in »Die Krähe«, der völlig surreal ist. Und dann die Sprachbilder: Das Wirtshaus kann man als Sarg interpretieren. Der Wanderer möchte eigentlich hin und muss doch weiterziehen. Was sich da abspielt, ist so extrem formuliert – Textverständnis und Timing sind hier entscheidend.

 

Schubert gilt nicht gerade als Opernkomponist. Empfindet ihr seine Liedzyklen dennoch als dramatische Werke?

VOLLE Die »Winterreise« hat ein enormes dramatisches Potenzial. Es gibt zwar wenige Ausbrüche, aber wenn es sie gibt, sind sie enorm. Auch in einem gedeckten Lied brechen der Frust, die Trauer, der Schmerz aus. Das habe ich bei unserer letzten Probe erst wieder gemerkt. So sehr ich Brahms und Schumann liebe – diese Purheit bei Schubert, auch im Klaviersatz, ist unglaublich beeindruckend, einfach umwerfend. Pianistisch ist das höchst anspruchsvoll, zum Beispiel die Dauer-Triolen im vierten Lied (Erstarrung, Anm. d. Red.). Es ist schwierig, auf diese Purheit zurückzukommen, sie zu füllen mit schöner Stimme, mit Belcanto und mit totalem Ausdruck, wenn es drunter brodelt. Manchmal spielen wir so ein Lied durch, dann gucken wir uns an und einer sagt: »Das ist doch Hammer!« Es ist ein Wunder.

SCHULZ Dieses Stück ist ein absolutes Wunder. Die Purheit, von der du sprichst, empfinde ich auch und zwar in allen Bereichen der Musik, auch in der Harmonik. Wie Dissonanzen da eingesetzt werden. Dann dieses Hochromantische, aber auch die Spielfiguren, die so ungewöhnlich sind. »Im Dorfe« gibt es einen ausgeschriebenen Triller, der immer wieder abbricht. Auch bei der »Post« oder der »Krähe« gibt es solche Figuren. In jedem Lied steht eine völlig andere rhythmische Figur im Zentrum. Es ist unglaublich faszinierend, wie alles auf die wesentlichen musikalischen Elemente zurückgeführt wird. Manchmal macht ein einziger Ort eine neue Welt auf. Schubert greift mich im Innersten an, das könnte ich von kaum einem anderen Komponisten sagen. Vielleicht ist er es, der dem Empfinden des modernen Menschen am besten begegnet. Wenn man zu viel am Bildschirm ist und zu viel nachdenkt, aber solche menschlichen Empfindungen stärker spüren möchte, bietet Schubert so viel, wie kaum ein anderer Komponist.

VOLLE Das ist kein am Schreibtisch entwickeltes Konstrukt. Ich weiß nicht, woher das kommt. Das ist nicht Genie, meiner Ansicht nach. Man kann nur ahnen, was in dem Menschen vorging. Als ich in Zürich mit Claus Guth und Franz Welser-Möst »Fierrabras« gemacht habe, habe ich mich sehr viel mit dem Leben von Schubert befasst: seine Konflikte mit dem Vater, sein ständiges Hinterherhecheln seinen Freunden und Kollegen gegenüber. In dem Zusammenhang möchte ich einen als kitschig verschrienen Film erwähnen, nämlich »Das Dreimäderlhaus«. Karlheinz Böhm spielt Schubert und bei allem Kitsch trifft der Film die Melancholie, die Schubert immer in sich trug, sehr gut. Gestorben ist er übrigens an Syphilis, die er sich bei einer Prostituierten geholt hat – es hat ja nie hingehauen mit Schubert und den Frauen –, und dann der Vater, der ihn immer klein hielt … In seinem kurzen Leben steckt schon Unfassbares drin.

»Wenn ich plötzlich aus der »Winterreise« rausgehen würde und nicht mehr bewegt oder erfüllt wäre, dann müsste ich mir ernsthaft Gedanken machen.«

SCHULZ Ich habe auch das Gefühl, dass alles was Schubert geschrieben hat, von dieser unglaublichen Sehnsucht nach Liebe getragen ist. Das mag naiv klingen, aber unerfüllte Liebe, sei es vom Vater, sei es dann später in einem anderen Sinne, hat Schuberts Leben geprägt. Ich muss dir übrigens noch ein Kompliment machen, Michael: Oft ist es ja so, dass Pianisten an den Noten hängen und die Sänger auch mal korrigieren. Aber du hast immer selbst nachgefragt: Hast du da ein Crescendo stehen? Wie ist das? Was steht da bei dir drinnen? Da ist eigentlich eine Achtelpause und keine Viertelpause, oder? Diese Genauigkeit, bei allen Freiheiten, die man zulässt, ist bemerkenswert. Es gibt in der »Winterreise« viele Stellen, an denen man eine neue Dimension erreicht, wenn man sich den Notentext ganz genau anschaut. Die Genauigkeit, mit der du gestaltest, finde ich keine Selbstverständlichkeit. Das aus nächster Nähe mitzuerleben, ist sehr beeindruckend.

VOLLE Das ist einfach die Faszination, die abgrundtiefe Liebe zu diesem Werk. Wenn ich plötzlich aus der »Winterreise« rausgehen würde und nicht mehr bewegt oder erfüllt wäre, dann müsste ich mir ernsthaft Gedanken machen. Man muss sich immer kontrollieren, bei aller Ekstase auch auf der Opernbühne. Jedes Mal erschafft man etwas von Grund auf neu. Und wenn man das dann schafft, gibt es kaum etwas Schöneres.

 

Habt ihr ein Lied, das ihr als Lieblingslied herausstellen würdet? Oder geht das vielleicht gar nicht, weil die Lieder nur als Zyklus funktionieren?

VOLLE Am Anfang des Zyklus sind es zunächst große Lieder, große Brocken. Aber wenn es dann in die zweite Hälfte geht, dann entwickelt sich eine unglaubliche Tiefe. »Die Krähe« und »Der greise Kopf« kommen direkt hintereinander, das ist schon unfassbar. »Die Wegweiser« sind auch hart an der Grenze des Erträglichen, so intensiv. Und dann kommt »Das Wirtshaus«. Darüber steht »sehr langsam«. Ich habe am Anfang immer gesagt: Um Gottes Willen, das kann man nicht zu langsam machen, das zerfällt ja. Jetzt weiß ich, dass es geht, und deshalb machen wir es auch so. Das Lied ist in der Langsamkeit zum Zerreißen gespannt, wie ein schwerer Choral. »Auf einen Totenacker hat mich mein Weg gebracht.« An der Stelle zerreißt es mich jedes Mal. Ich merke das sogar jetzt beim Reden. Wenn man hier einmal zu viel Emotion zulässt, kommen einem die Tränen und man kann nicht mehr singen, so stark ist das. Und dann auch dieses Nachspiel! Es gibt kein Lieblingslied, aber das steht ganz oben für mich.

SCHULZ Lieblingslied ist wirklich schwierig, vor allem, weil es auch innerhalb der Lieder wieder Lieblingsstellen gibt. Wenn es ein Lied gibt, das mich in besonderer Weise fasziniert, ist es vielleicht »Die Krähe«. Ich kann es nicht erklären. Da passiert etwas. Es beginnt relativ hoch mit dieser triolischen Bewegung in der linken Hand. Und dann hast du diese Mischung von Romantik und totaler Kälte, die mich fasziniert. Aber auch »Das Wirtshaus« ist in unserer Zusammenarbeit besonders. Je öfter wir es spielen, desto langsamer machen wir es eigentlich. Man kann es gar nicht beschreiben. Das letzte Lied, »Der Leiermann«, hat für sich alleine gespielt vielleicht gar keine so starke Wirksamkeit. Aber wenn man aus 23 Liedern dorthin mündet, erreicht es eine völlig andere Dimension. Es ist ein Lied, das die anderen wirklich braucht.

VOLLE So etwas hat wirklich kein anderer geschafft, nicht Schumann, nicht Brahms. »Letzte Hoffnung« ist auch so eine Art der Komposition, das gibt es sonst nicht in dieser Zeit.

SCHULZ »Letzte Hoffnung« ist vielleicht das modernste Stück von Schubert. Die Harmonik, beziehungsweise deren Zersetzung – das würde auch aus dem Kontext zeitgenössischer Musik nicht herausfallen.

 

Wie schafft ihr das überhaupt, euch zum Proben neben eurer sonstigen Tätigkeit zu treffen?

VOLLE Das war im letzten Jahr natürlich fantastisch, weil ich durch den »Ring« so lange in Berlin war, wie in 33 Jahren Sängertätigkeit nicht. Da haben sich natürlich leichter Termine finden lassen. Ansonsten geht das eher spontan. Wir proben ehrlicherweise aber auch nicht mehr als fünf, sechs Mal. Mittlerweile ist die »Winterreise« abrufbar, würde ich sagen.

»Ich glaube, die Leute würden sich wundern, wie wenig wir geprobt haben.«

SCHULZ Ich glaube, die Leute würden sich wundern, wie wenig wir geprobt haben. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass wir jedes Lied stundenlang durchexerzieren. Es gibt schon seit unserer ersten Probe eine Art Grundverständnis. Wir gehen die Lieder jedes Mal einmal durch und besprechen kurz nach jedem Lied, was uns so aufgefallen ist. Stundenlanges gemeinsames Proben wäre auch gar nicht möglich und vielleicht ist es auch nicht nötig. Wenn du bei uns im Haus warst, haben wir spontan ein Probenzimmer genommen. Gott sei Dank bist du relativ robust und machst das auch mal vor einer Vorstellung oder nach einer Probe. Jetzt können wir uns nächste Woche gar nicht mehr sehen, nur am Tag des Konzerts selbst.

VOLLE Aber da habe ich überhaupt keine Sorge. Es wird spannend, weil ich mehr vom Publikum sehe, obwohl ich versuche, es auszublenden. In der Oper, sei es an der Staatsoper oder an der MET, siehst du die Tausenden von Leuten ja nicht. Bei einem Liederabend bist du aber so nah dran. Zum Glück stecke ich so drin in irgendwelchen Bildern, in Emotionen, dass ich schon ein bisschen entrückt bin. Trotzdem freue mich auch wahnsinnig drauf. Hört sich blöd an, aber ich glaube, das wird ein schöner Abend.

 

Das hört sich überhaupt nicht blöd an. Wird es denn eine Fortsetzung eurer Zusammenarbeit geben?

VOLLE Hoffentlich!

SCHULZ Wir haben schon mal den Schwanengesang angeschaut, auch ein tolles Werk. Und auch Dichterliebe muss eigentlich passieren.

VOLLE Das muss sein.

SCHULZ Wir machen halt das Zentrum des Zentrums. Das nehmen wir uns heraus. (lacht.)

VOLLE Es ist eine große Freude, das mit dir zu machen. Aus jeder Probe komme ich glückserfüllt raus. Selbst wenn ich am Vorabend eine große Partie gesungen habe und gereist bin und deshalb nicht aussinge: Es geht um den emotionalen Gehalt. Das möchte ich nicht missen, solange ich singe.

SCHULZ Das kann man besser nicht sagen. Vielen Dank, Michael!

 

Das Interview führten Constanze Busch und Christoph Lang.

Neuer Kommentar

Verfasse jetzt einen Kommentar. Neue Kommentare werden von uns moderiert.




Fotos die auf Instagram mit #staatsoperberlin getagged wurden.