We ❤ Internationales Opernstudio
Die Sopranistin Narine Yeghiyan und der Bariton Maximilian Krummen berichten uns im Interview über ihre Erfahrungen und Erlebnisse, die sie im Rahmen ihrer Zeit im Internationalen Opernstudio der Staatsoper Berlin gesammelt haben.
Narine war von 2011-2013 Stipendiatin der Liz Mohn Musik- und Kulturstiftung und Mitglied des Opernstudios, Maximilian ist seit der Spielzeit 2013/2014 mit dabei.
Was habt ihr vor eurer Zeit im Internationalen Opernstudio der Staatsoper Berlin gemacht und wie kamt ihr auf die Idee, euch zu bewerben?
Narine Yeghiyan: Ich habe mich gar nicht beworben. Ich komme aus Armenien, wo ich auch studiert habe. 2009 habe ich dann beim Wettbewerb »Neue Stimmen« als Preis einen Platz im Internationalen Opernstudio sowie ein Stipendium der Liz Mohn Musik- und Kulturstiftung gewonnen. Ich hatte eigentlich nie den Plan nach Deutschland zu kommen, das kam eher zufällig.
Maximilian Krummen: Ich stand kurz vor dem Abschluss meines Studiums und war bereits ein Jahr als Stipendiat am Theater Aachen, wo ich bereits einige Rollen singen konnte. Ich habe mir dann überlegt, was ich nach dem Studium machen möchte und hielt das Opernstudio für eine sehr gute Möglichkeit. So habe ich mich an verschiedenen Häusern beworben und hier hat es geklappt.
Es kursieren einige Anekdoten über das Vorsingen mit Daniel Barenboim, aber als Preisträgerin musstest du dann wahrscheinlich gar nicht mehr vorsingen, oder Narine?
Narine: Oh doch, natürlich musste ich noch vorsingen. Das war hier in der Staatsoper. Ich kam vor Aufregung zitternd auf die Bühne und dachte nur »Oh Gott, was kommt jetzt?«. Dann sah ich Herrn Barenboim, den ich zuvor nur aus dem Fernsehen kannte, hinter einer Zeitung sitzen. Er sagte nur: »Ich habe wenig Zeit – Donna Anna, bitte!« – Normalerweise war es ja so, dass man zunächst eine Arie nach eigener Wahl singen durfte und die zweite dann erst vorgeben wurde. Als ich zu singen begann, schaute er auf, sah sich um und sagte: »Nicht schlecht! Können Sie noch die Nedda singen?« Nachdem ich dann die Nedda-Arie aus »I Pagliacci« gesungen hatte, kam er auf die Bühne und sprach mit mir auf Russisch: »Wirklich sehr gut, ich möchte gerne mit ihnen arbeiten«.
Max: Ich habe zunächst die Guglielmo-Arie aus »Così fan tutte« vorgesungen. Dann hat er noch die Arie des Malatesta aus »Don Pasquale« ausgewählt. Doch schon nach der ersten Strophe hörte ich: »Danke, Danke, das reicht«. Natürlich denkt man dann zunächst: »Was ist jetzt los? Habe ich etwas falsch gemacht?«, aber es war dann alles gut.
Wie gestaltet sich die Arbeit im Opernstudio? Ihr arbeitet natürlich viel mit Boris Anifantakis, dem Leiter des Internationalen Opernstudios, zusammen.
Max: Ja, das ist eine Rundumbetreuung. Für mich war das nach dem Studium super. Wir arbeiten an unserem Repertoire, bekommen Gesangscoaching, nehmen an verschiedenen Meisterkursen teil, machen Körper- und Bewegungstraining …
Narine: .. und arbeiten an unserer Bühnenpräsenz. Das ist ein ganz schön umfassendes Programm, vor allem weil noch Proben und Vorstellungen dazukommen.
Max: Man profitiert auch sehr viel vom Beobachten der erfahrenen Kollegen auf der Bühne. Doch das Wichtigste, was ich in den anderthalb Jahren im Opernstudio gelernt habe, ist, Selbstvertrauen und Sicherheit zu gewinnen, sodass man sich mit dem, was man aus ganzem Herzen tut, auch wohlfühlt.
Wie war es eigentlich, auf einmal so viele unterschiedliche Rollen und Inszenierungen an der Staatsoper zu erarbeiten? Der berühmte »Sprung ins kalte Wasser«?
Max: Nein, eigentlich nicht. Meistens handelt es sich um ja um kleinere oder mittlere Partien, die verhältnismäßig schnell zu lernen sind.
Narine: Am Anfang ist es ein bisschen ungewohnt, da man wirklich jeden Tag von morgens bis abends am Haus ist. Daran müssen sich Körper, Geist und Seele gewöhnen. Ich habe das anfangs schon als fordernd empfunden, aber schnell stellt sich eine gewisse Routine ein.
Gab es eigentlich in dieser Zeit Rollen, die euch besonders geprägt haben bzw. Produktionen, an die ihr euch besonders gerne erinnert?
Narine: Mein Lieblingsprojekt war Viktor Ullmanns »Der Kaiser von Atlantis« in der Werkstatt der Staatsoper. Das Stück und die Musik haben mich wahnsinnig berührt, das war wirklich etwas Besonderes für mich.
Dieses Stück hat ja eine sehr bewegende Geschichte: Der Komponist Viktor Ullmann war ab 1942 Häftling in Theresienstadt, wo er auch die Kammeroper »Der Kaiser von Atlantis« komponierte. Später starb er dann in Auschwitz …
Narine: … ich habe einen Monat nur schreckliche Träume gehabt und kaum geschlafen. Wahrscheinlich habe ich auch zu viel darüber gelesen.
Max: Bei mir war es die Werkstattproduktion »Punch & Judy« von Harrison Birtwistle, bei der ich sehr viel für mich mitgenommen habe. Es handelt sich ja um ein sehr verrücktes Stück und die Rolle, die ich dort hatte, war für mich bis dahin die umfangreichste.
Du bist sogar geflogen…
Narine: [lacht]
Max: Ja, ich musste an der Decke hängen und gleichzeitig singen. Vor allem aber habe ich sehr viel gelernt in puncto Kommunikation mit den Zuschauern. In der Werkstatt ist man sehr nah am Publikum und kann somit weder den positiven noch den kritischen Blicken ausweichen. Ich bin dadurch einfach noch freier auf der Bühne geworden. Wir Sänger glauben häufig, dass irgendwann jemand mit einem Zauberstab kommt, den Knoten platzen lässt und auf einmal alles funktioniert: die Höhe, die Tiefe, die piano-Stellen … Aber so ist das nicht. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, harte Arbeit, die Jahre dauert.
Narine: Genau, wir müssen jeden Tag an uns arbeiten. Wenn man eine Woche krank war, dauert es Wochen bis die Muskulatur wieder aufgebaut ist.
»Ich bin keine typische Sängerin.«
Das wird von uns Nicht-Sängern vielleicht häufig unterschätzt. Ihr kennt bestimmt auch das typische Klischeebild von Sängern, die immer mit einem dicken Schal herumlaufen und auf bestimmtes Essen und Alkohol verzichten …
Narine: Ich bin keine typische Sängerin [lacht].
Max: Nein, so ist es nicht. Es gibt vielleicht ein paar Grundsätze, die man einhalten sollte. Zum Beispiel, dass man vor einer wichtigen Probe oder Vorstellung natürlich nicht die Nacht durchmacht.
Narine: Ich habe vor einigen Wochen erlebt, wie es ist, am Tag einer Vorstellung krank zu sein. Man kämpft bis zur letzten Sekunde, um dann festzustellen, dass es nicht geht und man absagen muss. Das ist so schrecklich! Eine Entscheidung, die man sich wirklich schwer macht. Ich habe auch schon mit Fieber gesungen.
Max: Irgendwann bekommt man ein Gefühl dafür. Nur weil man sich mal schlecht fühlt oder nicht zu 100 % fit ist, sagt man keinen ganzen Tag oder eine Vorstellung ab, aber es gibt natürlich Situationen, in denen es nicht anders geht.
Hier an der Staatsoper gastieren einige große Namen. Gab es da schon die eine oder andere besondere Begegnung?
Max: Ich habe gerade in der neuen »Tosca«-Inszenierung mit Michael Volle gearbeitet, das war schon beeindruckend. Dadurch, dass wir auf den Proben soviel Zeit miteinander verbracht haben, konnte ich mir sängerisch und darstellerisch sehr viel abschauen. Eine andere besondere Arbeit war die Wiederaufnahme von »Salome« mit Zubin Mehta. Sehr spannend war hierbei auch die Begegnung mit Harry Kupfer, der als Regisseur ja eine Legende ist.
Narine: Mir fällt es da schwer mich zu entscheiden. »L’elisir d’amore« mit Rolando Villazón war eine schöne Produktion, da habe ich gesehen, wie viel Spaß man auf den Proben haben kann. Mit Dorothea Röschmann und Christine Schäfer war es bei »Le nozze di Figaro« auch immer sehr lustig. Aber ich weiß noch, als ich das erste Mal die Barbarina singen musste und all die Stars da unten sitzen sehen habe, war das natürlich schon aufregend.
»Die Oper ist ohnehin sehr international.«
Ein wichtiger Punkt ist die internationale Ausrichtung des Opernstudios, ist es ein Vorteil oder manchmal auch anstrengend, wenn so viele unterschiedliche Nationalitäten aufeinander treffen?
Max: Es ist eigentlich nur positiv, dass wir so eine bunt gemischte Truppe sind. Ab und zu machen wir internationale Abende, an denen jeder eine Spezialität aus seinem Heimatland mitbringt. Es ist sehr schön, wenn man auf diese Weise die unterschiedlichen Kulturen kennenlernen kann. Die Oper ist ohnehin sehr international, da viele Künstler aus unterschiedlichen Ländern kommen. Wir sind dann alle durch die Musik verbunden.
Narine, du stammst ursprünglich aus Armenien und hattest dort bereits eine eigene kleine Familie. Wie war euer Umzug nach Berlin?
Narine: Aufgrund der deutschen Bürokratie hat es ein wenig länger gedauert, bis meine Familie nachkommen konnte. Aber mittlerweile fühlen wir uns sehr wohl in Berlin.
Das Interview führte Roman Reeger.