Hinter den Kulissen bei RUSALKA: Die Requisite

Während der Zuschauerraum noch menschenleer ist, laufen die Vorbereitungen für RUSALKA hinter der Bühne bereits auf Hochtouren. Drei Stunden vor Vorstellungsbeginn treffen wir Luise Rüdiger von der Requisite, die wir beim präparieren von Effekten und anrühren von Getränken begleiten.

Für die Neuproduktion von Antonín Dvořáks RUSALKA hat der Regisseur Kornél Mundruczó eine Inszenierung voller Details entwickelt. Ein weitgehend realistisch nachgeblidetes Berliner Mietshaus dient als Mikrokosmos, in dem sich die Geschichte um die unglücklich liebende Rusalka abspielt: Vor allem die von den Fabelwesen bewohnte Wohngemeinschaft ist vollgestopft mit allem, was in einer WG eben herumliegt. Auf der Opernbühne sind es allerdings keine unordentlichen Mitbewohner:innen, die ihren Kram herumliegen lassen, sondern die Mitarbeiter:innen der Requisite, die jeden Gegenstand herstellen oder besorgen und platzieren.

Zwischen Operntickets, Automatenfotos und Postkarten haftet eine To-Do-Liste für die Requisite am Kühlschrank

Damit an jedes Detail gedacht wird, hat Luise sich und ihrem Team eine To-Do-Liste geschrieben, die zwischen Operntickets, Automatenfotos und Postkarten als Einkaufsliste der Elfen ganz pragmatisch am Kühlschrank hängt: drei Gläser mit Effekt, Zahnpasta, dreckiges Geschirr, Wäsche in der Waschmaschine und so weiter. »In der Pause müssen wir die Batterien aus den Winkekatzen auf dem Kühlschrank herausnehmen, damit sie in der zweiten Hälfte nicht mehr winken. Das ist ein ganz kleines Detail, das schnell verloren gehen kann in der ganzen Aufregung. Deswegen ist es gut, diese Liste zu haben, um wirklich alles detailliert nochmal nachsehen zu können.«

»Gläser mit Effekt« nennt die Requisite drei Milchgläser, die unter Ježibabas Hand zum schwarz verfärbten Zaubertrank werden. Der Trick dahinter: Luises Kollegen präparieren die Gläser mit Lebensmittelfarbe und Reispapier als Trennschicht. Erst wenn Ježibaba die Milch umrührt, vermischt sie sich mit der schwarzen Farbe und es entsteht der Zaubertrank.

Etwa hundert Aale finden auf der Bühne allerlei Verwendung

Besonders wirkungsvoll sind in dieser Produktion die etwa hundert vom Bühnenservice aus Silikon hergestellten Aale – ursprünglich waren noch viel mehr geplant –, die zum Beispiel von der Decke fallen und aus dem Kühlschrank springen. Für den spektakulären Moment, in dem Clara Nadeshdin in der Rolle des Küchenjungen den Kühlschrank öffnet, macht die Requisite von einem eigentlich sehr simplen Mechanismus Gebrauch, wie Luise erzählt. Die Aale liegen eingerollt in einem Fach, das von einem Stift gestützt wird, der durch die Kühlschrankwand nach außen ragt. »Und in der Pause ziehen wir diesen Stift heraus. Dann darf erstmal keiner mehr an den Kühlschrank ran!« Wir dürfen den Kühlschrank ausnahmsweise trotzdem noch einmal öffnen. »Perfekt, das war ein richtig guter Vorführeffekt!«

Luise und ihre Kolleg:innen setzen die Tricks zwar um, aus der Publikumsperspektive hat sie die Überraschungsmomente in RUSALKA selbst aber noch nie erleben können. »Während der Vorstellung haben wir gar keine Zeit, uns das anzusehen. Wir sind ja hier hinter der Bühne und müssen die Effekte auslösen und Requisiten anreichen.«

Sänger:innen haben großes Mitspracherecht, was Getränke und Lebensmittel auf der Bühne betrifft

Bei all den Aufgaben rund um solch eine Produktion fühlt sich Luise manchmal, als würde sie in der Gastronomie arbeiten. Gerade bei RUSALKA sind nämlich über die Milch hinaus viele verschiedene Getränke und auch Sushi im Spiel. In der Backstage-Küche wird aus Wasser und Soßenbraun Whisky und aus verdünntem Apfelsaft die authentischste Farbkonzentration für Weißwein und Sekt abgestimmt. Auch die Dosen für das eigens kreierte »Rusaalka-Bräu Pale Aale« werden mit Apfelschorle befüllt – das hat sich Mika Kares als Wassermann gewünscht. »Sänger haben großes Mitspracherecht, weil sie sich auf der Bühne ja auch wohl fühlen sollen. Wir versuchen da schon auf eine Art und Weise einen Service zu bieten.«

Auch wenn die Requisite vor jeder Vorstellung eine beeindruckende Anzahl an Getränken zusammenbraut, Sushi ist dann doch etwas zu aufwendig. Dafür verlassen sie sich auf den Lieferservice – komplett vegetarisch, nur bei der Premiere gab es zur Feier des Tages Lachs für die Komparserie. Der Großteil der Sushi-Platte ist allerdings mit Attrappen bestückt, die eine Aushilfe bereits im letzten Jahr hergestellt hat, als von der Regie die ersten Herstellungsaufträge kamen.

Der Weg in die Requisite erfolgt meist über andere handwerkliche Ausbildungen

Eine klassische Ausbildung zur Requisiteur:in gibt es nicht, erzählt Luise. Stattdessen kommen die meisten Kolleg:innen aus handwerklichen Bereichen wie der Tischlerei oder Schlosserei. Sie selbst hat Bildhauerei gelernt und sich mit ihrem jetzigen Job hinter der Bühne einen Kindheitstraum verwirklicht. Im Team erweisen sich die unterschiedlichen Hintergründe bei der Aufgabenverteilung als sehr praktisch – es findet sich immer jemand mit Expertise. In vielen Fällen ist auch die Zusammenarbeit über die Abteilungen hinweg gefragt. Vor allem mit Kostüm und Bühnenservice findet ein enger Austausch statt, da sich die Verantwortlichkeiten teilweise überschneiden.

Auch wenn die Arbeit der Requisite für das Publikum erst in der Abendvorstellung sichtbar wird, fängt der Tag schon mit einer Frühschicht an: Die Requisiten müssen verpackt und in transportablen Schränken ins Lager oder auf die Bühne gefahren werden. Außerdem werden auch die Probebühnen mit Platzhalterstücken ausgestattet – statt mit dem Sideboard in der oberen Etage wurde für RUSALKA beispielsweise mit einem Biertisch geprobt. Die Spätschicht kümmert sich dann am Nachmittag um die Vorbereitung der Vorstellung und sobald sich der Vorhang öffnet, heißt es: Einkaufstaschen und Sushi anreichen, Nebelmaschinen steuern, Kunstblut auf das Gemälde pumpen und dabei für das Publikum unsichtbar bleiben.

 

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