In höchsten Höhen und tiefsten Tiefen mit Regina Koncz und Friedrich Hamel

Trotz des anstrengenden Probentags, der hinter ihnen liegt, treffen sich Sopranistin Regina Koncz und Bass Friedrich Hamel mit uns auf einen Kaffee in der Kantine, um auf ihre Erlebnisse in den vergangenen anderthalb Jahren im Internationalen Opernstudio der Staatsoper zu sprechen und auf künftige Projekte zu blicken.

 

Wie verlief euer Weg ins Opernstudio? Gab es ein Schlüsselerlebnis, das euch zur Musik geführt hat?

FH Ich bin in einem Pfarrhaus in Sachsen groß geworden, da kommt man viel mit Kirchenmusik in Berührung, weil man ja jeden Sonntag in den Gottesdienst gehen muss. Später war ich auch in der Kurrende und habe Klavier gespielt. Das mit dem Singen kam dann so mit zehn. Ich war beim Tag der offenen Tür der Thomasschule und hatte schnell den festen Willen, dort aufgenommen zu werden, was zum Glück geklappt hat.

 

Und wie hast du von der geistlichen Musik zur Oper gefunden?

FH Das kam tatsächlich spät. Ich wollte erst nur Lieder und Oratorien singen. Auf der Opernbühne habe ich mich jedenfalls lange Zeit nicht gesehen. Zum Operngesang kam ich durch meinen Professor in Hannover. Er hat in mir die Begeisterung für das Spiel auf der Bühne geweckt, und mir eröffnet, dass Oper so viel mehr Möglichkeiten bietet, um sich auszudrücken. Das gibt einem umgekehrt auch für Konzert- und Liedgesang mehr Ausdrucksmöglichkeiten.

 

Wie war das bei dir Regina? War Gesang für dich von Anfang an ein Thema?

RK Ich muss mal nachdenken, wie es bei mir angefangen hat. Auf jeden Fall ganz früh schon. Ich habe einfach immer gesungen, das war einfach Teil von mir. Als Kind erstmal Kinderlieder und was man so gelernt hat. Dann habe ich eines Tages im Fernsehen eine Sängerin gesehen, vollkommen unklassisch – mit Mikrofon und allem.

 

Weißt du noch, was das für ein Lied war?

RK Nicht genau, irgendein Popsong. Die Sängerin war eine ungarische „Mainstream Media“-Sängerin. Aber es hat etwas in mir ausgelöst. Da hatte ich zum ersten Mal den Wunsch, Sängerin zu werden. Ich habe überall gesungen, in der Schule, bei unterschiedlichen Events, wann immer es etwas zu feiern gab. Ich habe auch an ersten Wettbewerben teilgenommen auf lokaler Ebene für Volkslieder. Und dann habe ich Klavier gelernt. Um in die Musikschule zu gehen, musste ich aus meinem kleinen Dorf in die nächste Stadt fahren, wo es zum Glück auch eine Gesangsklasse gab. Da habe ich angefangen, wirklich singen zu lernen, und dort bin ich durch meinen Gesangslehrer zum ersten Mal auf klassische Musik und Oper gestoßen.

 

Wisst ihr noch, welche die erste Oper war, die ihr gehört oder gesehen habt?

RK Das muss auf VHS oder DVD gewesen sein. Wahrscheinlich war es »Die Zauberflöte«.

FH Gesehen habe ich als erstes »Hänsel und Gretel«. So in der vierten Klasse mit der Schule, das war auch so ein so ein Schlüsselmoment. Ich mag das Stück immer noch sehr, es gibt nur leider keine richtig passende Rolle für mich. Ich habe das damals aber sehr gefeiert, auch wenn ich natürlich noch keine Ahnung hatte, dass ich selbst mal in einer Oper auf der Bühne stehen würde. Die Option gab es dann in Leipzig, wo die Knaben in der »Zauberflöte« aus dem Thomanerchor besetzt wurden. Leider hat das nie geklappt.

 

Just in der »Zauberflöte« seid ihr beide in dieser Saison  zu erleben, sogar in großen Partien als Königin der Nacht bzw. Sarastro.

RK Es ist auf jeden Fall eine Herausforderung, aber auch eine Ehre so eine tolle Partie an der Staatsoper singen zu dürfen. Dafür bin ich sehr dankbar!

FH Ich habe den Sarastro ja schon im November hier gesungen, aber ich freue mich auch jetzt sehr darauf. Seit ich mit dem Jugendchor letzte Saison die »Winterreise« gemacht habe, kommen übrigens dessen Mitglieder in Vorstellungen, in denen ich singe. Sie waren allerdings bei einer Zauberflöte, in der ich nun ausgerechnet nicht mehr Sarastro, sondern den Zweiten Geharnischten gesungen habe. Ich habe noch nie so viel Beifall für so eine kleine Rolle bekommen.

Man muss sich immer sagen, dass es nicht darum geht, perfekt zu sein, sondern eine Botschaft zu übermitteln, etwas darzustellen.

Erinnert ihr euch, wie das war, als ihr zum ersten Mal auf der Bühne der Staatsoper standet?

FH Natürlich, das war als Sciarrone in »Tosca«. Ich war richtig aufgeregt. Im zweiten Akt musste ich ein Weinglas halten – ich habe so gezittert mit der Hand! Dabei habe ich ja noch nicht mal gesungen in dem Moment. Ich musste mich irgendwie auf das Geschehen konzentrieren und auf meine Einsätze. Das ist ja die Herausforderung an kleinen Partien. Es hilft nichts, wenn du deine drei Wörter kannst. Du musst genau wissen, was durchgehend passiert in dem Stück und was du spielen kannst.

RK Wenn man denn spielen kann. Für mich ist das die Herausforderung bei den ganz kleinen Partien, wenn man nur reinkommen soll. Wenn ich rein muss, schnell singe und dann wieder raus – da ist es schwer, eine Bühnenspannung aufzubauen.

FH Außerdem wiegt bei kleinen Partien ein Fehler gefühlt so viel schwerer.

RK Aber man muss sich immer sagen, dass es nicht darum geht, perfekt zu sein, sondern eine Botschaft zu übermitteln, etwas darzustellen. Als Hirte im »Tannhäuser« hatte ich eine kleine Rolle, aber ich habe mir einen Subtext überlegt, nämlich dass ich ein Teil von Tannhäusers Seele oder Psyche bin, der zu ihm spricht und ihn inspiriert, etwas Neues zu beginnen. Auch für kleine Rollen muss man eine Interpretation finden, um ihnen Profil zu verleihen.

 

Der Hirte war aber nicht deine erste Rolle auf der Bühne hier.

RK Nein, meine erste Produktion war »L’incoronazione di Poppea«. Da bin ich kurzfristig eingestiegen. Mit Valletto und Amore hatte ich sogar zwei Rollen. Das war eine Produktion, in der wir die ganze Zeit auf der Bühne standen und ich habe beide Rollen in einer Woche gelernt. Es hat trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb sehr viel Spaß gemacht. Man konnte in der Inszenierung schauspielerisch viel geben, was ich immer sehr mag.

Man merkt in solchen Vorstellungen, dass die Staatsoper wirklich für alle Generationen zugänglich ist und zwar sowohl im Publikum als auch auf der Bühne.

Ihr wart bzw. seid beide in Jugendprojekten besetzt. »Winterreise« hatte Friedrich schon angesprochen und du, Regina, singst die Titelpartie in der Kinderoper »Schneewittchen«. Wie ist das, mit Kindern oder Jugendlichen auf einer Bühne zu stehen?

RK Was »Schneewittchen« angeht, kann ich das noch gar nicht sagen, weil wir noch nicht mit den Kindern geprobt haben, aber ich mag Kinder allgemein sehr. Und letzte Spielzeit habe ich sehr häufig die Papagena in der Everding-Zauberflöte gesungen. Da musste ich am Schluss mit ganz vielen Kindern spielen und eines ist mir auf den Arm gesprungen. Ich habe diese Szene immer sehr geliebt. Die Kinder waren super süß und haben allen gute Laune gemacht. Man spürt, dass sie noch keine Vorurteile haben und sich auf vieles einlassen.

FH Kinder und Jugendliche sind unglaublich ehrlich. Ich habe im Dezember Colline in der Schülervorstellung von »La Bohème« gesungen. Hinter der Bühne haben viele gedacht: »Ach du Schreck, wie können die nur da und da applaudieren?« Aber eigentlich ist das etwas Schönes. Die Jugendlichen scheren sich nicht um irgendeinen überkommenen Verhaltenscodex und geben einem unmittelbar zu spüren, wenn ein Spannungsbogen nicht trägt. Man merkt in solchen Vorstellungen, dass die Staatsoper wirklich für alle Generationen zugänglich ist und zwar sowohl im Publikum, als auch auf der Bühne. Dort stehen wir Mitglieder des Opernstudios neben gestandenen und berühmten Kolleg:innen, aber auch neben unserem großartigen Kinderchor.

Kinder und Jugendliche sind unglaublich ehrlich.

Euer nächstes gemeinsames Projekt, noch vor der »Zauberflöte«, ist das Liedrecital des Opernstudios, in dem in dieser Saison ein eher unkonventionelles Programm mit Liebesliedern von Brahms, Dvořák, Cornelius und Rimski-Korsakow ansteht. Wart ihr in die Programmfindung mit einbezogen?

RK Boris Anifantakis (der Leiter des Internationalen Opernstudios, Anm. d. Red.) hat uns Stücke vorgeschlagen und gefragt, ob sie für unsere Stimmen passen. In meinem Fall war schnell klar, dass ich die Liebeslieder op. 83 von Dvořák singen soll und ich freue mich sehr darüber. Ein paar der Lieder sind vielleicht eine Idee zu tief für mich, aber sie sind so schön, dass mir das ganz egal ist.

 

Das Tschechische in deinen Dvořák-Liedern ist dir wahrscheinlich aus »Rusalka« bestens vertraut?

RK Tatsächlich verstehe ich ein wenig tschechisch, weil ich serbisch spreche und die slawischen Sprachen miteinander verwandt sind. Zur Vorbereitung der Dvořák-Lieder habe ich trotzdem mit unserem Sprachcoach gearbeitet. Auswendig lernen muss ich die Lieder trotzdem alleine. Die Arbeit lohnt sich aber, weil die Lieder auch wegen der Sprache so schön sind. Letzte Spielzeit hatte ich schon ein Sprachcoaching als ich Jano in »Jenůfa« gesungen habe und konnte prima daran anknüpfen. Ich liebe allgemein Sprachen und entdecke gerne die Strukturen dahinter. Das wäre sogar ein beruflicher Plan B gewesen: Als ich nach der Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in Köln nicht angenommen wurde, habe ich erstmal Anglistik studiert.

 

Wie erging es dir mit den Liedern von Cornelius, die du singst, Friedrich?

FH Ich muss ja zugeben, dass ich mich damit anfangs etwas schwergetan habe, weil die Lieder auf den ersten Blick sehr kitschig wirken. Man muss sie aber aus ihrer Entstehungszeit heraus betrachten und sich darauf einlassen. Dann kann man in diese Gefühlswelten einsteigen. Besonders die Texte, die Cornelius selbst geschrieben hat, sind uns heute ein wenig fremd. Heutzutage würde niemand von Vögelchen und von der Heide reden. Aber man kann einen Zugang dazu finden.

RK Jetzt bin ich neugierig. Das werde ich mir anhören.

Bei Liedern hat man nur Musik und Text und muss daraus eine Geschichte erzählen.

Jetzt habt ihr beide erzählt, dass eure musikalischen Wurzeln eher nicht im Bereich des Kunstliedes liegen. Wie geht ihr an so einen Liederabend heran?

RK Lieder sind gut für die Stimme. Und für mich sowieso, weil ich hoher Sopran bin und es für mein Fach gar nicht so viel Literatur in dem Bereich gibt. Die meisten Lieder brauchen viel Mittellage und da liegt für mich die Herausforderung darin, die nötigen Farben in diese Lieder zu legen, eine lyrische Seite zu finden und sie aufzubauen. Das ist harte Arbeit und manchmal schwieriger, als irgendeine Koloraturarie, die gut zu meiner Stimme passt. Es ist aber auch eine andere Einstellung, weil es beim Liedgesang schwieriger ist, den Inhalt herauszukitzeln. In der Oper helfen die Rolle, der Kontext, die Inszenierung. Bei Liedern hat man nur Musik und Text und muss daraus eine Geschichte erzählen.

FH Würde ich genauso sagen. Lieder sind hilfreich, weil sie so eine hohe Stimmkultur fordern. Man ist dem Ganzen ausgesetzt, auch dem Publikum. Man muss sich wirklich viele Gedanken machen und überlegen, wie man sich das einteilt. Ganz wichtig ist auch eine gute Klavierbegleitung. Das war bei mir übrigens mit ausschlaggebend dafür, dass ich Gesang studiert habe. Zu Schulzeiten hatte ich einen Freund, der sehr gut Klavier gespielt hat. Wir haben uns irgendwann »Klassiker des deutschen Liedes« von Edition Peters, Band eins und zwei, vorgenommen und die Lieder, die uns gut schienen, bei Familienfeiern gesungen. Das war eine wichtige Erfahrung, weil der Zugang beim Publikum immer so unmittelbar war und die Musik so dankbar angenommen wurde.

Lieder sind gut für die Stimme.

RK Einfach Stehen und Singen in einer Konzertsituation kann anfangs auch ein bisschen schrecklich sein, besonders beim ersten Lied. Nach und nach kriegt man dann ein Gefühl für den Raum und die Stimmung. So gesehen ist das Lied auch eine gute Übung, sich im Kleinen Gedanken zu machen und eine eigene Interpretation eines Stückes zu erarbeiten. Dabei kann und muss man sogar mehr riskieren als in der Oper.

FH Das würde ich auch sagen. Musikalisch hat man mehr Möglichkeiten – gemeinsam mit der Begleitung natürlich. Und da gibt es unglaubliche Momente, wenn man beim Vortrag etwas riskieren kann und die Begleitung flexibel mitgeht.

RK Man musiziert mit einem Pianisten zusammen, da ist die Kommunikation natürlich unmittelbarer als auf der Opernbühne.

FH Das ist es, was in der Oper aus meiner Sicht einen guten Dirigenten ausmacht – dass er gut kommuniziert und musikalisch mit dir arbeitet.

 

Apropos Oper: Was steht denn hier für euch als Nächstes an?

RK Zunächst natürlich Schneewittchen, dann Königin und dann Zerlina. Ganz viel Mozart also.

FH Bei mir zunächst auch. Ich singe Antonio in »Le nozze di Figaro«, Sarastro und danach jede Menge »Tosca«, erst als Angelotti und dann als Mesner. Damit fehlt mir nur noch der Kerkermeister um alle Basspartien in dem Stück einmal auf der Bühne verkörpert zu haben. Gibt es vielleicht einen Bass-Pokal für die Partien in »Tosca«?

 

FUN FACT
Höchster Ton vs. tiefster Ton – welcher Ambitus liegt zwischen euch?

RK Mein höchster Ton ist ein dreigestrichenes fis oder g, je nach Tagesform.

FH Abends als vollwertigen Ton komme ich in etwa zum Es, meistens sogar ein wenig tiefer. Richtung C wird es aber dann schon dünn.

 

Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, und alles Gute für die anstehenden Aufgaben!

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