»Singen ist einfach etwas Natürliches«

Am 15. Mai tritt der Jugendchor der Staatsoper Unter den Linden erstmals mit einem eigenen Konzertprogramm im Apollosaal auf – es erklingen Liebeslieder aus der ganzen Welt. Wir trafen Carlo Schmitz (18), der seit zwei Jahren Mitglied des Jugendchors ist und sich gerade auf die Aufnahmeprüfung im Fach Gesang vorbereitet, zu einem Gespräch über seine Erlebnisse mit dem Chor, über das Singen als Beruf und über seine Lieblingsliebeslieder.

Was ist das Besondere am Jugendchor?

Die Verbindung zur Oper ist etwas, das den Jugendchor auf jeden Fall besonders macht. Man hat die Möglichkeit, hinter die Kulissen des Opernbetriebs zu schauen. Die Leute im Chor sind sehr engagiert und viele haben auch schon viel Erfahrung. Mir hat es gut gefallen, dass ich hier ein bisschen gepusht werde. Herr Flade, unser Chorleiter, ist einfach ein toller Musiker, die Arbeit mit ihm macht sehr viel Spaß! Der Jugendchor hatte schon immer eine Kooperation mit dem Konzertchor der Staatsoper und die großen Chorprojekte haben wir eigentlich immer gemeinsam mit dem Konzertchor und teilweise auch mit Solisten und Orchestermusikern vom Haus gemacht. Es ist toll, dass wir mit so hochkarätigen Musikerinnen und Musikern zusammenarbeiten können. Besonders am Jugendchor sind auch die vielen unterschiedlichen Leute: von Schülern bis Studenten ist eigentlich alles dabei und es werden sehr viele verschiedene Sprachen gesprochen in diesem Chor (lacht). Das hat schon was.

»Wir versuchen, alle aufzunehmen, die Interesse am Chor haben.«

Musstest du beim Jugendchor eine Aufnahmeprüfung machen?

Eine richtige Prüfung gibt es nicht. Wenn man sich für den Chor interessiert, wird man zu einer Probe eingeladen und dort hat man erst mal die Möglichkeit, sich alles anzugucken. Am Ende der Probe bekommt man etwa eine halbe Stunde Stimmbildungsunterricht mit einem unserer Stimmbildner, der dabei schaut, was man mit seiner Stimme schon machen kann. Unsere Stimmbildner fördern uns technisch und festigen unsere Grundlagen, damit wir letztendlich besser singen können. Wir versuchen, alle aufzunehmen, die Interesse am Chor haben. Aber ich habe es bisher noch nie erlebt, dass jemandem gesagt wurde, er soll nicht wiederkommen.

Wie läuft eine Chorprobe normalerweise ab?

Wir haben für jede Stimmgruppe einen Stimmbildner aus dem Staatsopernchor, der uns eigentlich die ganze Probe lang unterstützt. Meistens übernehmen sie zunächst das Einsingen und anschließend haben wir eine Stunde getrennt Probe in den Stimmgruppen. Wir versuchen, so gut es geht, vom Blatt zu singen – das ist natürlich schwer, weil jeder auf einem anderen technischen Level ist. Manche Stücke klappen auf Anhieb, bei anderen müssen wir ein bisschen mehr üben. Wir sitzen dann in einer kleinen Gruppe zusammen um das Klavier herum und versuchen so gut wie möglich, uns die Tonfolgen zu erarbeiten. Danach setzen wir unter der Leitung von Herrn Flade gemeinsam im Chorsaal die einzelnen Stimmen zusammen, die wir zuvor geübt haben. 

Was gefällt dir am Chorsingen besonders gut?

Am Chorsingen gefällt mir vor allem das Gemeinschaftsgefühl, wenn man zusammen Musik macht. Singen ist einfach etwas Natürliches, etwas Körperliches, es ist sehr an einen selbst gebunden. Ich habe das Gefühl, dass ich mit meiner Stimme noch besser als mit einem Instrument ausdrücken kann, was ich sagen möchte. Durch die Sprache hat man auch noch viel mehr Möglichkeiten als bei einem Instrument. Das ist es, was mir am Singen so gut gefällt.

»Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, von einem schönen Klang umgeben zu sein und es hat großen Spaß gemacht, ein Teil davon zu sein.«

Gibt es ein besonderes Erlebnis mit dem Jugendchor, das dir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist?

Ich erinnere mich noch an die erste gemeinsame Probe mit dem Konzertchor für das Mozart-Requiem, die wir mit Herrn Wright, dem Chorleiter des Staatsopernchors, hatten: Eigentlich weiß ich nur noch, dass mich der Klang des Chores damals umgehauen hat. Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, von einem schönen Klang umgeben zu sein und es hat großen Spaß gemacht, ein Teil davon zu sein.

Ist Singen etwas, was du dir als zukünftigen Beruf vorstellen könntest?

Ja, das ist es tatsächlich. Das hat sich in den letzten zwei Jahren konkretisiert. Der Jugendchor hat daran auch einen Anteil. Durch den Jugendchor bin ich auch in den Konzertchor gekommen, in dem ich jetzt ebenfalls singe und ich hatte in dieser Spielzeit bereits die Gelegenheit, gemeinsam mit dem Staatsopernchor bei »Parsifal« auf der großen Bühne zu stehen. Diese Möglichkeiten haben sich erst dadurch erschlossen, dass ich in den Jugendchor eingetreten bin. Mit dem Gesangsstudium möchte ich jetzt einen ersten Schritt in Richtung Berufsleben machen, dann kann ich weitersehen. Das ist momentan natürlich alles noch offen. 

Mit dem Konzert am 15. Mai im Apollosaal tritt der Jugendchor zum ersten Mal mit einem eigenen Konzertprogramm auf. Was bedeutet das für euch?

Es ist auf jeden Fall mehr Verantwortung für uns und es ist auch ein Zeichen vom Haus, dass sie uns mehr Verantwortung geben möchten. Letzte Woche wurde uns mitgeteilt, dass wir in der kommenden Spielzeit wieder alleine ein Konzert haben werden, sowie eine Produktion zusammen mit dem Jugendklub und ein Projekt mit der Kompositionswerkstatt. Der neue Intendant, Matthias Schulz, scheint viel Wert darauf zu legen, dass die Jugendarbeit gefördert wird. Es ist eine Herausforderung, aber ich glaube, dass wir das schaffen werden. 

Auf dem Programm des Abends stehen Liebeslieder. Wie habt ihr die Stücke ausgewählt?

Die Idee zu dem Thema Liebeslieder kam von Herrn Flade und seine Begeisterung hat uns mitgerissen. Als wir später über die einzelnen Lieder diskutiert haben, gab es immer wieder Leute, die neue Stücke mitgebracht haben, die sie unbedingt ausprobieren wollten. Dadurch haben wir jetzt zum Beispiel auch ein japanisches, ein russisches und ein türkisches Lied im Programm. Wir haben einfach Ideen gesammelt, jeder durfte etwas mitbringen und dann haben wir das Programm zusammen gestaltet. Wir haben einige italienische Stücke, die für manche einfacher zu singen sind, da wir bereits italienische Stücke im Chor gesungen haben. Ansonsten haben wir auch eine große Auswahl an deutschen Liedern. Wir singen unter anderem etwas von Brahms und Max Reger. Es ist also eine gute Mischung von verschiedenen Sprachen.

»Inhaltlich ähneln sich die Stücke, deshalb muss man auf der musikalischen Ebene viel aussagen.«

Das Thema Liebe zieht sich durch alle Stücke, aber worin unterscheiden sich die Lieder inhaltlich und musikalisch?

Ich habe das Gefühl, dass es bei Liebesliedern inhaltlich zwei Kategorien gibt: Entweder sie handeln davon, dass jemand sagt, wie sehr er jemanden liebt und wie unglaublich toll das Gefühl ist oder aber es geht darum, wie schmerzhaft die Liebe ist. Das zieht sich durch alle Epochen: Wir haben einen Chor aus »Orfeo ed Euridice« im Programm, also ein barockes Stück, wir haben ein romantisches Stück von Tschaikowsky und dann noch etwas Modernes. Musikalisch ist es also sehr unterschiedlich, es ist fast jede Epoche vertreten. Inhaltlich ähneln sich die Stücke, deshalb muss man auf der musikalischen Ebene viel aussagen. Darin besteht auch ein bisschen die Schwierigkeit bei dem Programm. 

Welches Stück gefällt dir besonders gut und warum?

Es gibt drei Stücke, die mir besonders gut gefallen. Das erste ist »Baci, soavi e cari« aus »Orfeo ed Euridice«, das ist auch der einzige Opernchor, den wir im Programm haben. Es ist einfach ein grandioses Stück. Dann mag ich persönlich auch das Stück von Tschaikowsky besonders gern, das ist russische Romantik pur. Und als drittes »In einem kühlen Grunde«, ein kleines Stück von Max Reger, was musikalisch sehr interessant ist. Es hat Wendungen, die man nicht erwartet, das ist ein bisschen knifflig, aber wenn es dann gelingt, klingt es wunderschön. 

Das Interview führten Katharina Langels und Leonie Stumpfögger.

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