Sphärisch, transzendent oder perlend – der einzigartige Klang des Salterio

In Antonio Vivaldis IL GIUSTINO ist das selten zu hörende Salterio zu erleben. Spielerin Franziska Fleischanderl hat mit Detlef Giese über ihr außergewöhnliches Instrument gesprochen.

Das Salterio ist ja ein wirklich sehr besonderes Instrument. Wie bist Du eigentlich dazu gekommen?

Im Alter von vier Jahren habe ich zum ersten Mal den Klang eines Hackbretts gehört, bei Aufführungen österreichischer Volksmusik, die in der Stube meines Onkels gespielt wurde – das war schon ein magischer Moment. Daraus entstand dann der Wunsch, dieses Instrument zu erlernen, damit habe ich mit acht Jahren begonnen. Und da man in Süddeutschland und Österreich Hackbrett richtig studieren kann, war der Weg für mich klar. Während meines Studiums in Linz habe ich dann das Salterio kennengelernt. Letztlich war aber das fast 300 Jahre alte Salterio, auf dem ich jetzt spiele, der Auslöser, mich der Musik aus Barock und Klassik zuzuwenden.

 

Welche Einsatzmöglichkeiten hat man denn, mit dem Hackbrett wie mit dem Salterio?

Zunächst zum Hackbrett, mit dem ich ja begonnen habe. Es gibt schon viel Literatur für dieses Instrument, mehr als man vielleicht denkt. Man kann Alte wie Neue Musik spielen, auch Volks- und Popularmusik, das ist schon ein breites Spektrum. Ein modernes Repertoire für Hackbrett gibt es seit den 1980er Jahren, wesentlich durch meinen Lehrer Karl-Heinz Schickhaus initiiert, der ein wahrer Pionier auf diesem Gebiet war und ist. Von einem Folkloreinstrument ist es auch zu einem Instrument für die Kunstmusik geworden. Ich selbst habe allein rund 30 Uraufführungen gespielt. Und auch nach meinem Wechsel zum Salterio war mir die zeitgenössische Musik wichtig – so hat etwa die österreichische Komponistin Elisabeth Naske ein Stück für Salterio für mich komponiert.

 

Wenn Du den Klang des Salterio beschreiben solltest – welche Vokabeln ließen sich da finden?

Da fallen mir Worte wie sphärisch, transzendent, hell, prickelnd oder perlend ein. Würde man das Salterio mit einem modernen Hackbrett vergleichen, so wäre der Unterschied etwa so, als würde eine barocke Traversflöte neben einer modernen Querflöte spielen.

 

Du beschäftigst Dich ja nicht nur musikpraktisch mit dem Salterio, sondern auch wissenschaftlich.

Ja genau. Das Wissen darum, wie es in den Zeiten von Barock und Klassik gespielt wurde und welche Repertoirefülle dieses Instrument besitzt, ist mir sehr wichtig. Fünf Jahre habe ich intensiv für meine Dissertation zu diesen Themen geforscht, habe in Bologna, Neapel, Rom und anderen italienischen Orten recherchiert, viele Dokumente gesichtet, beschrieben und analysiert und diese dann in eine umfangreiche Studie einfließen lassen: »Geschichte, Repertoire und Spieltechniken des italienischen Salterio im 18. Jahrhundert«, eine Doktorarbeit an der Universität Leiden. Die drei verschiedenen Techniken des Salteriospiels – Pizzicato mit den Fingern, Pizzicato mit Plektren sowie Battuto mit Schlegeln – habe ich dabei neu erschlossen. Und diese Kenntnisse helfen mit sehr beim Spielen, da ich je nach den Stücken die Techniken einsetzen kann, mit jeweils anderen Klangeigenschaften, die schon sehr verschieden und erstaunlich vielfältig sind.

 

Das Salterio, auf dem Du in unserer Aufführung von Vivaldis »Il Giustino« spielst, stammt aus dem Jahr 1725, die Oper wurde ein Jahr zuvor erstmals in Rom präsentiert. Was bedeutet es, bei einem solchen Projekt mit dabei zu sein?

Die Arie des Giustino »Ho nel petto un cor si forte« mit den Klängen des Salterio ist das vielleicht wichtigste Stück des Repertoires für mein Instrument, und es ist für mich eine große Ehre und Freude, diesen besonders schönen Salterio-Part spielen zu dürfen. Er breitet sich klanglich bestens im Raum aus, ist aber auch sehr virtuos gehalten, und da ich während dieser Arie gemeinsam mit dem Sänger auf der Bühne bin und auswendig spielen muss, ist es schon eine Herausforderung. Vivaldi ist ein großer Name, aber es gibt darüber hinaus noch zahlreiche andere prominente italienische Komponisten, die Musik für Salterio geschrieben haben, etwa Porpora, Piccini, Traetta, Jommelli oder Vinci, in Opern, Oratorien oder Kantaten.

Die Arie des Giustino »Ho nel petto un cor si forte« ist das vielleicht wichtigste Stück des Repertoires für mein Instrument.

 

Welche Wünsche knüpfen sich an die jetzigen Vorstellungen von »Il Giustino«?

Die Musik soll viele Menschen erreichen, sie sollen gerade auch den Klang des Salterio hören und sich von ihm ansprechen lassen. Im Grunde sind diese Aufführungen die beste Werbung für mein Instrument. Und da ich es mir zur Aufgabe gemacht habe, das Salterio bekannt zu machen, ist die Gelegenheit, es hier inmitten der Akademie für Alte Musik Berlin mit René Jacobs und einem hervorragenden Ensemble spielen zu können, natürlich besonders schön.

 

Ist die Wiederbelebung des historischen Salterio inzwischen auf einem guten Weg?

Ich denke, da entwickelt sich gerade viel. Mit meiner Doktorarbeit, die sehr bald veröffentlicht wird, sind wissenschaftliche Fundamente gelegt, auch plane ich die Gründung einer eigenen Salterio-Akademie in Salzburg. Professionelle Lehrangebote sind zu schaffen, so wie im 18. Jahrhundert das Salterio-Spiel ein reguläres Unterrichtsfach an musikalischen Ausbildungsstätten gewesen ist. Bislang gibt es nur wenige Musikerinnen und Musiker, die Salterio spielen, aber es werden hoffentlich immer mehr. Mit meinen Solo-, Kammer- und Ensemblekonzerten, bei denen ich auch des Öfteren über das Instrument, seine Geschichte und seine Spieltechniken erzähle, versuche ich ein Bewusstsein für das Salterio zu schaffen. Denn es besitzt schon einen sehr besonderen, faszinierenden Klang.

 

 

aufgezeichnet von Detlef Giese, mit einem herzlichen Dank an Franziska Fleischanderl für das schöne, erhellende Gespräch am 29. November 2022

Neuer Kommentar

Verfasse jetzt einen Kommentar. Neue Kommentare werden von uns moderiert.