ThrowbackThursday No 22 – aus 450 Jahren Staatskapelle Berlin

Zum 450. Jubiläum der Staatskapelle Berlin, das wir 2020 feiern, gibt es in dieser Serie wöchentlich einen #ThrowbackThursday mit interessanten Fakten und Wissenswertem aus der Geschichte der Staatskapelle Berlin für Euch.
Woche 22: Welches Vorbild gibt Paris? Die »Concerts spirituels« in Berlin 1783

1775 war mit Johann Friedrich Reichhardt ein noch junger, keineswegs sonderlich erfahrener und prominenter Musiker von König Friedrich II., dem »Alten Fritzen«, zum Königlich Preußischen Hofkapellmeister ernannt worden. Schon bald drängte es ihn, eine nach Pariser Vorbildern gestaltete Konzertreihe in Berlin ins Leben zu rufen. Erst 1783 gelang es jedoch, die »Concerts spirituels« zu etablieren, die erste Serie eigenständiger Konzerte der Hofkapelle, die Jahrzehnte später mit der Einrichtung der »Sinfonien-Soiréen« 1842 eine institutionelle Fortsetzung fanden. Da es Konzertsäle im eigentlichen Sinne in Berlin noch nicht gab, spielte man in Wirtshäusern oder ähnlichen Räumlichkeiten, etwa im Hotel de Paris, vor einem zahlenden Publikum, wodurch die »Concerts spirituels« sowohl künstlerische Ereignisse waren als auch eine Sache kommerzieller Verwertung. In den Jahren 1783/84 ‒ die Konzertreihe war eine recht kurzlebige Angelegenheit ‒ fanden an sechs Dienstagabenden innerhalb der Fastenzeit Musikveranstaltungen statt, jeweils von 17 bis 20 Uhr. Die Konzerte besaßen eine genau festgelegte Struktur: Während im ersten Teil geistliche Musik, vornehmlich vokaler Art, erklang, wurden im zweiten Teil Instrumentalkonzerte und Sinfonien geboten, darüber hinaus aber auch Arien aus zeitgenössischen Opern. Reichardt war nicht nur der musikalische und organisatorische Leiter dieser Konzerte, sondern betätigte sich auch kompositorisch, mit mehreren Sinfonien sowie diversen Solo- und Ensemblekonzerten sowie kammermusikalischen Werken. Vor allem aber – und das ist rückblickend sicher besonders verdienstvoll ‒ präsentierte er dem Berliner Publikum die moderne Sinfonik der Zeit, u. a. Werke von Haydn, Dittersdorf und Vanhal, dazu die Sinfonien der Mannheimer Schule sowie Kostproben aus neueren Opern italienischer Reformkomponisten wie Piccini oder di Majo. Der Grundstock der Musizierenden bestand aus Sängerinnen und Sängern der Hofoper Unter den Linden sowie reisenden Virtuosen, in erster Linie aber aus Mitgliedern der Königlichen Kapelle, die um 1780 eine Besetzungsstärke von rund drei Dutzend Musikern besaß. Reichardt hatte sie durch intensive Probenarbeit geschult, so dass sie die anspruchsvollen sinfonischen Werke mehr als nur akzeptabel bewältigen konnten. Von dieser Arbeit sollte das Orchester noch in den kommenden Jahrzehnten profitieren.

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