Das Carter Project

Außergewöhnliche Musik an außergewöhnlichen Orten – am Samstag, den 27.06.2020 um 19 Uhr, geht das »Carter Project« der Staatsoper auf unserem YouTube-Kanal als Videoaufzeichnung online. Im Beitrag erfahrt Ihr mehr über Elliot Carter sowie über unser Video-Projekt und die Aufzeichnungen hierzu.

Einen ganzen Tag lang, gleich nach dem Frühstück beginnend und bis in den Abend sich erstreckend, liefen Kamera und Ton, um an acht verschiedenen Stellen im Opernhaus und im Probenzentrum Musikstücke von Elliott Carter aufzuzeichnen, dem »Altmeister« der amerikanischen Neuen Musik. Fast 104 Jahre alt ist Carter geworden – in den 1920er Jahren hat er Igor Strawinsky erlebt, in den 30ern ist er bei Nadia Boulanger in die Lehre gegangen, mit vielen großen Künstlern des 20. Jahrhunderts war er bekannt und befreundet. Daniel Barenboim hat mehrere seiner Werke ur- und erstaufgeführt, darunter auch mit der Staatskapelle Berlin. Und nicht wenige Musikerinnen und Musiker des Orchesters haben sich Carters Solostücken gewidmet, die der Komponist gerade in seinen letzten Lebensjahren vermehrt geschrieben hat. Nahezu jedes Instrument ist dabei gedacht worden, Streicher und Bläser ebenso wie Schlagwerk und Klavier. Für wirklich großbesetzte und -dimensionierte Werke, so Carter im hohen Alter, fehle ihm die Kraft, die Kreativität selbst ist aber ungebrochen, sie verlagert sich dann eben vornehmlich auf Solowerke, mit hohem spieltechnischen Anspruch und virtuosem Zuschnitt. Geschrieben hat er sie zumeist für befreundete Musiker, für Flötisten und Klarinettisten, Bratscher und Perkussionisten und andere mehr. »Retrouvailles« für Klavier komponierte er etwa anlässlich des 75. Geburtstages von Pierre Boulez im Jahr 2000, als Carter selbst schon über 90 Jahre alt war. Die »Poems of Louis Zukovsky« für Sopran und Klarinette schrieb er mit 99, »Figment V« für Marimbaphon im Alter von schier unglaublichen 100 Jahren. Wie inspiriert diese Musik gestaltet ist, lässt sich nacherleben, mit Musikerinnen und Musikern aus der Staatskapelle, die sich für ihr Spielen an Orte begeben haben, an die man für gewöhnlich nicht gelangt – etwa auf die Nachhallgalerie hoch oben im Zuschauersaal, auf die Unterbühne und in das unterirdische Verbindungsbauwerk zwischen Opernhaus und Intendanzgebäude mehrere Meter tief unter dem Berliner Boden oder in das derzeit leere Casino der Staatsoper. Eine spannende Entdeckungsreise bietet unser »Carter Project«, das diese vielschichtige Musik auf ungewöhnliche Weise Raum gibt und zum Leben erweckt.

Text von Detlef Giese

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