DAS ENSEMBLE LIMEWOOD SINGT IM APOLLOSAAL

Das Ensemble Limewood stellt sich die Aufgabe, Musik von Frauen sicht- und hörbar zu machen – die Arbeit von Komponistinnen wie jene von Sängerinnen.

Im von männlichen Komponisten dominierten Konzertbetrieb spielen Werke von Komponistinnen zumeist eine untergeordnete Rolle. Dabei stehen sie den Kompositionen ihrer Kollegen in nichts nach – es gibt also noch jede Menge Nachholbedarf seitens der Veranstalter, der Ausführenden und der Musikforschung, um Komponistinnen und ihre Werke fester im Musikleben zu verankern. Das gilt selbst für vergleichsweise bekannte Komponistinnen wie Fanny Hensel: Noch immer ist etwa bei einigen unter dem Namen ihres berühmten Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy veröffentlichten Kompositionen ungeklärt, ob sie nicht doch aus der Feder seiner Schwester stammen. Die Benachteiligung von Frauen in der Musik ist mitnichten ein überwundenes Thema vergangener Jahrhunderte. Bis in die jüngste Vergangenheit hatten es Komponistinnen schwer, ihre Werke aufführen zu lassen, und bekamen es dabei nicht selten mit abschätzigen Bemerkungen seitens Kritik und Publikum zu tun.

Ursula Stigloher, die musikalische Leiterin des Ensemble Limewood, erinnert sich daran, wie ihre Großtante ihr früher berichtete, dass sie seinerzeit still zuhören musste, wenn die männlichen Mitglieder der Familie Hausmusik gemacht haben. Vor etwa 20 Jahren wollte Stigloher ein Konzert mit einem »rein weiblichen« Programm ansetzen. Das Geschlecht sei doch kein Argument, die Musik zu spielen, bekam sie zu hören. Es geht natürlich um die Qualität, gute Musik ist gute Musik. Aber wieso sollte man sich nicht mit guten Komponistinnen beschäftigen, die offensichtlich strukturell unterrepräsentiert sind?«, fragte Stigloher. Dieser Gedanke wirkte lange nach, aber es sollten einige Jahre vergehen, bis sie ein entsprechendes Vokalensemble gründete. »Die Recherche nach geeignetem Repertoire hat eine lange Zeit in Anspruch genommen. Clara Schumann und Fanny Hensel sind natürlich bekannt und einigermaßen gut erforscht, aber es gibt so viele weitere Künstlerinnen zu entdecken.«

»Wieso sollte man sich nicht mit guten Komponistinnen beschäftigen, die offensichtlich strukturell unterrepräsentiert sind?«

Das Ensemble Limewood wurde 2019 von acht Mitgliedern des Staatsopernchores mit dem Ziel gegründet, dem Publikum Vokalwerke für Frauenstimmen und dabei insbesondere Werke von Komponistinnen zugänglich zu machen. Der Staatsopernchor, der im vergangenen Jahr sein 200-jähriges Bestehen feierte, zählt zu den großen Opernchören in Europa und war im Lauf seiner Geschichte an den Uraufführungen wichtiger Werke beteiligt. Die Struktur des Kollektivs bietet Umstände, die sich in der sonstigen Arbeitswelt noch bei weitem nicht überall durchgesetzt haben: die paritätische Besetzung von Männern und Frauen sowie eine bemerkenswerte Diversität. So kommen auch die Mitglieder des Ensemble Limewood, die sich 2019 zusammengeschlossen haben, aus verschiedenen Nationen und Kulturkreisen. Für das kommende Projekt wird das Ensemble verstärkt durch die ukrainische Sängerin Daria Kozyk. Aus Charkiw stammend floh sie vor der russischen Invasion nach Berlin, da sie mit einer Geigerin der Berliner Philharmoniker bekannt ist. Diese wiederum vermittelte die studierte Opernsängerin und Chorleiterin, die am Theater ihrer Heimatstadt in beiden Positionen tätig war, an den Staatsopernchor. Was sie mit den anderen Mitgliedern des Ensembles verbindet, ist die Lust auf neues Repertoire und kammermusikalischen Ensemblegesang.

»Das Singen im Ensemble ist nicht zu vergleichen mit der Tätigkeit im Staatsopernchor«, erklärt Ensemblemitglied Miho Kinoshita. Besonders die Art, mit der man in einer kleinen Besetzung aufeinander hören muss, ist eine andere und erfordert hohe Sensibilität, wovon die Tätigkeit im Chor nach Meinung von Kinoshita eindeutig profitiert. »Ein wenig ist unsere Arbeit im Ensemble Limewood wie Stimmbildung.«

»Beim Singen in kleiner Ensemble-Besetzung muss man ganz anders aufeinander hören.«

Seine beeindruckende Vielseitigkeit präsentierte das Ensemble Limewood in den bisherigen Konzerten; pandemiebedingt waren es allerdings nur drei an der Zahl. Eines davon fand im Apollosaal der Staatsoper statt, in den sie im Juli zurückkehren. Während der Corona-Pandemie hat sich das Ensemble verkleinert – aus sehr erfreulichen Gründen: Zwei Mitglieder befinden sich im Mutterschutz und ein weiteres ist Mitglied im Bayreuther Festspielchor geworden und daher im Juli nicht verfügbar. Dies tut der Vorfreude auf das unkonventionelle Vokalprogramm keinen Abbruch. Es schlägt einen Bogen zum Spielplan der Staatsoper, und stellt daher Leoš Janáček in den Mittelpunkt, passend zur Premiere von »Die Sache Makropulos« und der Publikums-Premiere von dessen »Jenůfa«. Das besondere an Janáčeks Musik ist, dass sie auch ohne großes romantisches Pathos und auf der Grundlage folkloristischer Elemente von großer Emotionalität ist. Das gilt auch für das a-cappella-Werk »Vlčí stopa« (Die Wolfsspur), welches das Ensemble singen wird.

Dem gegenübergestellt wird die »Apsara Music« der britischen Komponistin Janet Beat, ein spirituelles Werk, das von hinduistischen Tempeltänzerinnen handelt. Der Gedanke eines Rituals ist dem Stück unmittelbar eingeschrieben: In kleinen Abschnitten wird immer wieder Spannung aufgebaut, konstituieren sich kleine Bewegungen zu immer neuen Bildern. Gleichzeitig finden sich auch Reminiszenzen an den gregorianischen Choral. Das Stück unterstreicht den Pioniergeist der heute über 80-jährigen Komponistin. Abgerundet wird das Programm von Musik von Antonín Dvořák und Petr Eben, einem der wichtigsten Komponisten geistlicher Chormusik des 20. Jahrhunderts.

Die umfangreiche Repertoiresammlung Ursula Stiglohers enthält noch zahlreiche weitere musikalische Schätze, die in den kommenden Jahren zu Gehör gebracht werden. Weitere Konzerte sind fest in Planung, unter anderem im Mai 2023 im Apollosaal.

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