»Diese Musik gräbt sich in die Seele« – Das Trio September spielt Dvořák

Des Öfteren schon haben sie im Trio zusammengespielt, nun haben sie auch einen Namen für ihr Ensemble gefunden.

Petra Schwieger, Vorspielerin bei den 1. Violinen der Staatskapelle Berlin, Isa von Wedemeyer, Vorspielerin in der Cellogruppe, und der Pianist Günther Albers, Professor an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main und seit Langem den Musiker:innen der Staatskapelle und den Sänger:innen der Staatsoper verbunden, geben nun schon zum wiederholten Mal den Auftakt zur neuen Kammerkonzertsaison. Und da das erste Konzert der Konzertreihe im Apollosaal traditionell im September stattfindet, lag eine Benennung nahe, gleichsam auf der Hand: Trio September. Auch das Herbstliche, Verschattete, das in der Musik immer einen besonderen Klang besitzt, sollte sich in diesem Namen spiegeln.

Ein Klaviertrio von Joseph Haydn, der dieses Genre im Eigentlichen begründet hat, steht auf dem Programm, dazu ein Quintett des – nicht allzu bekannten – tschechischen Komponisten Zdeněk Fibich, das sie gemeinsam mit dem Klarinettisten Tibor Reman und dem Hornisten Sebastian Posch, zwei Kollegen aus der Staatskapelle, spielen werden. Dazu kommt im zweiten Teil, als Hauptwerk des Abends, ein Klaviertrio von Antonín Dvořák, das vierte und letzte aus seiner Feder, mit dem charakteristischen Beinamen »Dumky«.

»Ein sommerlich-leichtes Werk«

Was es mit dieser Bezeichnung auf sich hat? »Dumka« kommt aus dem Ukrainischen und bezeichnet einen Gesang von tendenziell melancholischer Art. Dvořák hat sich von dieser traditionellen Musik anregen lassen und gegen Ende der 1880er Jahre ein Klaviertrio geschrieben, das in seiner Substanz aus insgesamt sechs solcher »Dumka«-Melodien besteht, die in den sechs Sätzen des Werkes Gestalt gefunden haben, wobei auf einen Abschnitt in langsamem Tempo stets eine Passage von schneller Bewegung folgt. In der Tat ist es eine besondere Form, so Isa von Wedemeyer, die uns in diesem »Dumky-Trio« begegnet; es ist kein Klaviertrio, so wie man es aus den Zeiten der Wiener Klassiker oder auch von Mendelssohn und Brahms her kennt, sondern eher eine Suite, eine Serie von Sätzen mit merklich unterschiedlichem Charakter. Günther Albers kann dem nur zustimmen: Für ihn ist es das formal ungewöhnlichste Klaviertrio der klassisch-romantischen Zeit, ein »sommerlich-leichtes Werk, weniger philosophisch« angelegt. Sehr individuell zeigen sich die einzelnen Sätze, so Petra Schwieger, immer wieder auch mit überraschenden Details und einer großen Ausdrucksvielfalt. Da Dvořák im Grunde immer die gleiche kompositorische Strategie zur Anwendung bringt – an einen langsamen, getragenen Teil schließt sich ein rascher, durchaus virtuoser an –, ist es eine nicht ganz leichte Aufgabe für die Interpreten, diese mehrfachen Wechsel nicht stereotyp erscheinen zu lassen. Die Sätze dürfen nicht zu ähnlich klingen, der gesamte Facettenreichtum dieser Musik soll schon zur Geltung kommen, das haben sich die drei Musiker zum Ziel gesetzt. Dabei liegen, wie Günther Albers betont, die von Dvořák selbst angegebenen Metronomzahlen gar nicht so weit auseinander, was bedeutet, dass die langsamen Abschnitte nicht zu langsam, die schnellen hingegen nicht allzu schnell angegangen werden sollten.

Die Charaktere der einzelnen Sätze reichen vom Elegischen, Resignativen und abgrundtief Traurigen bis zum immens Lebendigen, Tänzerischen, gar Furiosen – die Spannbreite ist außerordentlich groß. Zugleich liegt etwas Tröstendes in der Musik, auch Folkloreklänge und -idiome sind einkomponiert. Es ist, als ob Dvořák, um einen anderen bekannten tschechischen Künstler, den Schriftsteller Milan Kundera zu zitieren, die »unerträgliche Leichtigkeit des Seins« in seine Musik einbringen und ins Außen tragen wollte, die merkwürdige Vereinbarkeit – oder eben auch Unvereinbarkeit – von Gegensätzen.

»Musik für Kenner und Liebhaber«

»Diese Musik gräbt sich in die Seele« – davon ist Isa von Wedemeyer überzeugt. Und sie berührt die emotionale Mitte von Spielern wie Hörern gleichermaßen, das ist offensichtlich. Vertraut scheinende Zitate und Anklänge sind immer wieder zu finden, die Brücken zu einem Verständnis allgemeiner Art bauen. Eingängig wirken so manche Melodien, und dabei ist alles doch sehr kunstvoll in einen Tonsatz integriert, der jedem der drei Instrumente das Recht zur eigenen Liniengestaltung zuerkennt. Es ist eine zutiefst »musikantische« Kunst, die Dvořák uns hier präsentiert – und es ist, da ist sich das Trio September einig, eine lohnende Angelegenheit, eine ganze Kammerkonzertreihe den Werken dieses Komponisten zu widmen. Gegenüber den Klaviertrios der Wiener Klassiker, von denen sie schon so einige gespielt haben, ist die musikalische Welt Dvořáks spürbar verschieden, es ist eine Musik sowohl für die »Kenner« als auch für die »Liebhaber«, alle können sich von ihr angesprochen fühlen und sich inspirieren lassen. Und so hoffen die Musiker:innen des Trio September natürlich, dass dieser Auftakt mit dem »Dumky«-Trio – natürlich im September – die Neugier weckt, weitere Kammermusik des Antonín Dvořák kennenzulernen – eines zumindest hierzulande immer noch ein wenig im Schatten stehenden Komponisten der die europäische Romantik so nachhaltig und umfassend bereichert hat.

 

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