»Es kann nie genug sein, an das Geschehene zu erinnern«

Am 27. Januar spielt die Staatskapelle Berlin unter der musikalischen Leitung von Daniel Barenboim in der Staatsoper Unter den Linden ein Benefizkonzert zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Der Erlös des Abends kommt der Auschwitz-Birkenau Foundation zugute. Wojciech Soczewica, Generaldirektor der Auschwitz-Birkenau Foundation, hat in einem Interview mit Maria Ossowski im Dezember 2019 über die Stiftung und deren Bedeutung gesprochen. Die nachfolgenden Zitate von Wojciech Soczewica sind diesem Interview entnommen.

„Die Stiftung mit ihrem Sitz in Warschau besteht seit zehn Jahren. Sie wird von 38 Spenderländern und mehr als 40 Privatpersonen unterstützt.
Das Ziel der Stiftung ist, das, was übrig geblieben ist nach der Befreiung 1945, alle Gegenstände und die gesamte Infrastruktur, als Zeugen der schrecklichen Ereignisse zu erhalten. Von daher ist es das Credo unserer Stiftung, nicht einmal den Gedanken an ein »Genug ist genug« zuzulassen, weil wir auch nach 1945 zahlreiche Beispiele von Hass, Menschenverfolgung, Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus, Islamophobie und andere Beispiele von politischem Wahnsinn gesehen haben und immer wieder sehen, die deutlich machen, dass es nie genug sein kann, an das Geschehene zu erinnern.

Dieses Wahrzeichen Auschwitz-Birkenau ist so stark und so vielbedeutend, dass man dieses Instrument verwendet, um zu zeigen: Schaut, wohin Hass führen kann! Wir haben das Glück, mit vielen jungen Leuten zu arbeiten, die sich, nachdem sie diesen Ort besucht haben, kritische Fragen stellen und überlegen: Was kann ich selbst tun, damit sich dieses Szenario nicht wiederholt.
Die Stiftung, die eng mit dem Museum Auschwitz-Birkenau zusammenarbeitet, beschäftigt sich wesentlich mit der Finanzierung und Durchführung von Konservierungsmaßnahmen, die Satzung lässt aber auch zu, dass wir Bildungsprojekte fördern, vor allem für Jugendliche.

Grundlage ist die Bewahrung der Authentizität: Die Menschen kommen nach Auschwitz-Birkenau, weil sie sehen wollen, was dort wirklich passiert ist, und das zeigt man ihnen am besten anhand von authentischen Gegenständen und Gebäuden. Was aber ist der nächste Schritt? Was mich sehr freut, ist die in Kürze, im April 2020, geplante Eröffnung des Internationalen Bildungszentrum zu Auschwitz und den Holocaust. Das Zentrum verfügt über professionelle Seminar- und Konferenzräume, wo die Möglichkeit besteht, auch große Gruppen aufzunehmen und mit den Menschen zu diskutieren.

Glücklicherweise werden wir am 27. Januar noch etwa 200 Überlebende von Auschwitz zu Gast haben, und ich denke, dass ihre Botschaft an die Welt stark genug sein wird. Aber es ist leider eine Tatsache, mit der wir lernen müssen umzugehen, dass die Zeugen von uns gehen. Menschen sind Menschen: Diese unglaublich überzeugende Stimme der Überlebenden ist durch nichts zu ersetzen. Auch die beste Technologie kann nicht das wiedergeben, was durch ein direktes Gespräch mit einer Zeitzeugin oder einem Zeitzeugen möglich ist. Die authentische Stimme eines lebenden Menschen ist unersetzbar.“

Wir danken Frau Ossowski sehr herzlich für ihre Bereitschaft, uns dieses Interview-Material zur Verfügung zu stellen.

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