Hörtipps »Le nozze di Figaro«

Auf einen Kaffee mit der Dramaturgie - Hörtipps Figaro

Auch zur zweiten großen Premiere der Saison 2015/2016 hat Detlef Giese, Produktionsdramaturg der neuen »Figaro«-Inszenierung, wieder ein paar Tipps zusammengestellt. Viel Spaß beim Lesen! :)

Tiere auf der Bühne haben ja stets zwei Seiten, in direktem wie in übertragenem Sinne. Bei Ersterem fühlt man sich an eine Begebenheit erinnert, die sich der Legende nach an der Wiener Staatsoper zugetragen haben soll, als der große Regisseur Otto Schenk einen jungen Komparsen fragte, was er denn wohl bei der »Zauberflöte« für ein tierisches Wesen spiele. Die Antwort des Buben in schönem Wienerischen Dialekt (den man nur sehr unvollkommen mit den Mitteln der handelsüblichen Schrift wiederzugeben vermag): »Lewe, Oarsch.« Das Hinterteil des Königs der Tiere zu mimen, ist vielleicht nicht das Allerverlockenste am Theater, aber gewiss ein unverzichtbares Rädchen im Getriebe, möchte Mozarts Fabelwerk in der rechten Weise gelingen. Auch in unserer Berliner »Zauberflöte« – das ist die mit der Mondsichel und anderem magisch schillernden In- und Exterieur – treten Tiere auf: ein Rhinozeros etwa, eine Schlange natürlich, andere Echsenarten, dazu noch einiges Undefinierbares und, analog zu Wien, ein paar Löwen. Gemeinsam tanzen sie zu Taminos Flötenklang – ein immer wieder erfreulicher Anblick und eine wohltuende Bestätigung, wozu die Musik per se doch in der Lage ist.

Daneben gibt es sogar ein paar echte Tiere bei uns, man kann sie noch in dieser Saison, sehr bald sogar, auf der Bühne besehen und bestaunen. Im »Don Giovanni« streift ein Wolfshund durchs Revier, das bekanntlich einen mehr oder minder dicht bewachsenen Wald darstellt. Aus dem Dunkel taucht er urplötzlich auf, um ebenso schemenhaft wieder darin zu verschwinden – das macht durchaus Wirkung. Und vielleicht erinnert sich noch jemand an das herzig-putzige Kaninchen in Brittens »Turn of the Screw« (in Anlehnung an den Komponistennamen liebevoll »Benny Bunny« genannt), das so unschuldig weiß auf der Szene herumhoppelte, aber meistens einfach nur dasaß. Es kommt bald wieder, wenn es nicht – Husch! – sich in den Tiefen des Theaterraumes verliert. Die Opernleitung hat übrigens große Weitsicht bewiesen, dass sie beide Stücke nicht direkt nacheinander angesetzt hat: Hund und Hase, das verträgt sich ja nicht unbedingt.

Was allerdings keine unerfreulichen Nebenwirkungen zeitigt, sondern ganz im Gegenteil für freudige Erregung sorgt, ist die Tierbesetzung des neuen »Figaro«. Häh, werden manche aufmerksame Besucher fragen, da kommen doch gar keine Tiere vor, wir sind doch nicht bei Janaceks »Schlauem Füchslein« oder bei Humperdincks »Königskindern«, wo weiland bei der Uraufführung an der New Yorker Met ein schier nicht zu bändigende Schar von Gänsen die Bühne bevölkerte. Ganz richtig, aber Tiere sind trotzdem am Werke, einmal verbal und ein andernmal in anderer Weise. So singt Marcellina in ihrer Aria virtuosa (mit vielen Koloraturen) von dem Geißbock und der Geiße (»il capro e la capretta«), die weitgehend konfliktfrei beieinander wohnen, und auch die friedvollen Schäfchen (»l’agnello e l’agnelletta«) werden erwähnt, die selbiges tun. Für gewöhnlich weiß man darob wenig, da diese Arie zumeist dem Rotstift zum Opfer fällt – aber nicht bei uns! Und dann findet das Tierische noch Präsenz in einer besonderen Konstellation, die so markant ist, dass es jammerschade wäre, sie nicht erwähnt zu haben. Denn gleich drei verdiente Sänger sind in unserem »Figaro«-Aufgebot, die auf tierische Namen hören: Olaf Bär, Peter Maus und Otto Katzameier. Man kann sich durchaus fragen, an welcher Stelle der Nahrungskette ein jeder von ihnen steht, sowohl im Tierreich als auch in der Oper. Miez und Mauz, pardon Maus, vertragen sich ja sonst nicht unbedingt, im Stück ziehen aber zunächst Bartolo (Otto Katzameier) und Don Curzio (Peter Maus) ganz an einem Strang, der eine applaudiert dem anderen, bevor dann ein abrupter Wechsel die vormalige Harmonie in Mitleidenschaft zieht. Und Olaf Bär alias Gärtner Antonio? Eigentlich ist er ja – Achtung, Wortspiel! – ein »Underdog«, eher unten auf der sozialen Leiter kauernd, der sich sogar vom Titelhelden Figaro den Mund verbieten lassen muss. Aber was soll’s, er gibt der Figur Kontur, so wie er es schon als Liedsänger getan hat mit den kunstvollen Gebilden des ingeniösen Hugo Wolf. Und da konnte es ganz tierisch stimmig – Achtung, nochmalige verbale Pirouette! – heißen: »Bär singt Wolf«.

Wenngleich das Erscheinen von Tieren auf der Bühne oft genug heikel ist, weil sie unwillkürlich viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, so liegt der Fall bei Bär, Maus und Katzameier doch merklich anders. Nicht einmal das sprichwörtliche »nomen est omen« ist hier zu bemühen. Das Tierische zeigt sich hier nicht in unmittelbarer Körperlichkeit, sondern in der Transzendenz des Physischen, auf der Ebene abstrakter Benennungen, die einerseits bloßer Schall und Rauch sein kann und andererseits die Dinge an sich auf den Begriff zu bringen vermag.

Apropos Schall: Den Klang in Ewigkeit zu bannen, dazu ist die Schallplatte imstande – ein weit schöneres Wort im Übrigen als das technokratische »Tonträger«. Mozarts »Figaro« kann man immer und immer wieder hören, ohne ihn je langweilig zu finden, obwohl die Stunden ja, wie schon Heine zu sagen wusste, ein »faules Volk« sind, die sich zuweilen »behaglich träge« dahinschleppen. Beim »Figaro« scheint das indes etwas anders zu sein: Hier kommt es auf ein richtiges Timing ebenso an wie auf eine gewisse Rasanz in der Bewegung, damit sich das verwickelte, an Überraschungen reiche Geschehen eindrücklich entwickeln kann.

Es verwundert kaum, dass sich viele Dirigenten mit Mozarts »commedia per musica« beschäftigt haben. Seit den 1930er Jahren ist dieses Meisterwerk immer wieder auf die Schallplatte gebannt worden, mit Künstlern sehr unterschiedlicher ästhetischer Ausrichtung. Schon eine blanke Aufzählung würde unseren Rahmen sprengen, weshalb summarisch wenigstens einige Namen und Projekte genannt seien. Unter der Leitung von Fritz Busch, der mit den Kräften des Glyndebourne Festival in den Jahren vor dem 2. Weltkrieg alle drei Mozart-Da Ponte-Opern einspielte, entstand 1934 eine erste Aufnahme des »Figaro«, ohne Reziative, aber mit großem Tempogefühl und erstaunlicher Beweglichkeit. Karl Böhm hat 1938 eine erste Einspielung in deutscher Sprache vorgelegt, 1956 sowie 1967 folgten dann zwei weitere, dann in italienischer Sprache. Die letztere ist dabei am bekanntesten geworden, versammelt sie mit Dietrich Fischer-Dieskau, Hermann Prey, Gundula Janowitz und Edith Mathis doch ein besonders prominentes Sängerensemble. Herbert von Karajan hat sich immerhin zwei Mal dem »Figaro« im Studio zugewendet, zunächst 1952, dann noch einmal 1979 – beide Einspielungen zählen für mich zu den Highlights der Liste. Andere Stardirigenten sind ebenso dabei: Die italienische Fraktion mit Carlo Maria Giulini und Claudio Abbado (beide mit sehr lohnenden Ergebnissen), die ungarische mit Ferenc Fricsay und Georg Solti, die englische mit Colin Davis, Charles Mackerras und Neville Marriner und die – wenn man so will – internationale mit Otto Klemperer, Erich Leinsdorf und Daniel Barenboim (dieser zum einen mit dem English Chamber Orchestra in den 70ern, zum anderen mit den Berliner Philharmonikern in den 90ern). Vorläufig zum letzten Mal in deutscher Sprache hat Otmar Suitner, der langjährige GMD der Staatsoper Unter den Linden mit der Staatskapelle Dresden und beliebten Sängern wie Hermann Prey, Hilde Güden, Anneliese Rothenberger, Walter Berry, Edith Mathis und dem noch ganz jungen Peter Schreier 1964 den »Figaro« eingespielt. Noch etwas früher, in den mittleren 1950er Jahren, kamen mit den Einspielungen unter Erich Kleiber, Vittorio Gui und Hans Rosbaud drei Aufnahmen auf den Markt, die jeder für sich erstaunlich »modern« wirkt. In historisch informierter Aufführungspraxis gibt es – wie von allen Mozart-Werken – inzwischen eine ganze Reihe von Produktionen: angefangen von Nikolaus Harnoncourt und John Eliot Gardiner über Sigiswald Kujken und René Jacobs bis zu Arnold Östman und Teodor Currentzis. So unterschiedlich wie die Künstler sind auch die klanglichen Resultate und die interpretatorischen Befunde, ob nun in eher kleiner kammermusikalischer und größerer orchestraler Besetzung, ob nun in Live-Aufzeichnungen oder unter Studiobedingungen, ob nun mit einem entsprechend geschulten »traditionellen« Klangkörper oder einem ausgewiesenen Spezialensemble.

Man sieht also, an »Platten-Figaros« herrscht kein Mangel – fast scheint es so, die Qual der Wahl zu haben. Dennoch sollte man um konkrete Empfehlungen nicht verlegen sein, da wir ja bekanntlich einen Bildungs- wie einen Orientierungsauftrag haben. Es mögen deshalb folgende Aufnahmen Aufmerksamkeit erfahren, die mir – rein subjektiv natürlich – besonders zusagen. Zunächst die Einspielung von Erich Kleiber, deren »Drive« und theatrale Dynamik immer noch überzeugen, auch wenn sie vor mittlerweile schon 60 Jahren (!) aufgezeichnet wurde. Kleiber nimmt fast durchgängig auffallend rasche Tempi, von der Ouvertüre, deren untergründiges Brodeln und Pulsieren quasi den Herzschlag des Ganzen vorgibt, bis zu den beiden großen Finali. Schlank und transparent ist dies alles musiziert, von souveräner Kenntnis der durchaus komplexen Partitur getragen. Mit Lisa della Casa und Hilde Güden als Gräfin und Susanna standen Kleiber – der ja einstmals auch der Staatsoper Unter den Linden als GMD verbunden war – zwei großartige Sängerinnen zur Verfügung, zudem ist Cesare Siepi ein stimmschön-kerniger Figaro (ein wirklicher »Basso cantante«) und Alfred Poell ein nicht minder markanter Graf. Von den frühen Aufnahmen ragt des Weiteren die erste unter Herbert von Karajan von 1952 heraus, natürlich noch in Mono, aber mit einer außergewöhnlichen Lebendigkeit, die später kaum mehr erreicht worden ist. Zwar enthält diese Einspielung, die wie jene unter Kleiber die Wiener Philharmonikern aufzubieten weiß, keinerlei Rezitative, wodurch von vornherein auf die Imagination einer irgendwie gearteten Bühnenhandlung verzichtet wird, es wird aber trotzdem der Schwung und das »Imbroglio« der Story mehr als deutlich. Elisabeth Schwarzkopf ist eine Gräfin der Sonderklasse, mit besonderer Noblesse und breit strömenden Melodiebögen, während der Kanadier George London, der große Wotan-Sänger, einen aufbrausenden, zugleich aber auch wieder reuig-glaubhaft verzeihenden Grafen mit Autorität gibt. Und kaum jemals hat man die beiden Cherubino-Arien so schön und berührend gehört wie von Sena Jurinac, die Mozart genauso charmant singen konnte wie Strauss, Wagner oder Verdi. Auch die zweite Aufnahme unter HvK von 1979 gehört zu den absolut besten, da er neben den Wiener Philharmonikern auf ein wunderbar stimmiges Sängerensemble zurückgreifen konnte. Brillant vor allem das Dienerpaar mit Ileana Ctrubas und José van Dam, aber auch Tom Krause und Anna Tomowa-Sintow als Conte und Contessa sowie Frederica von Stade als Cherubino und – nicht zu vergessen – Heinz Zednik als Basilio gestalten ihre Parts ungemein profiliert. Dahinter nicht zurück steht

Le nozze di Figaro - Foto: Clärchen und Matthias Baus
Anna Prohaska (Susanna) und Marianne Crebassa (Cherubino) in »Le nozze di Figaro«

die Einspielung unter Sir Georg Solti mit dem London Philharmonic Orchestra von 1982, in der Lucia Popp als Susanna zu bezaubern weiß und Kiri te Kanawa puren Wohlklang als Gräfin verströmt. Mit Thomas Allan als Graf und Samuel Ramey als Figaro gewinnen diese beiden als Gegenspieler angelegte Rollen merklich an Kontur, während erneut van Stade als Page zu überzeugen weiß. Und Kurt Moll ist eine wahre Luxusbesetzung als Bartolo, dessen Arie im 1. Akt durch seine stimmliche Präsenz ein kaum erahntes Gewicht bekommt. Von den »historisch informierten« Aufnahmen ist diejenige unter René Jacobs eine sicher besonders fein ausgearbeitete, bis in die letzten Verästelungen und Verzierungen der Musik (einschließlich der Rezitative) hinein. Buchstäblich alles ist hier zu hören – was nachdrücklich demonstriert, welche schier überbordende Fülle an Gestalten und Details in Mozarts Werk enthalten ist. Und Veronique Gens, Patricia Ciofi, Simon Keenlyside, Angelika Kirchschlager und tutti quanti sorgen zudem für ein wahres Sängerfest.

Das ist hoffentlich auch bei uns der Fall, beim neuen »Figaro« im Schiller Theater. Bär, Maus und Katzameier sind jedenfalls dabei, das allein ist schon mal der Rede wert. Damit sie sich nicht ins Gehege geraten, haben sie himmlischen Beistand – vom Erzengel persönlich: Ildebrando D’Arcangelo – was für ein Name! – hat stimmlich und darstellerisch alles, was ein Graf braucht. Zur Seite – und ihm, ganz rollendeckend, oftmals auch entgegen – stehen ihm Lauri Vasar als Figaro, Anna Prohaska als Susanna und Dorothea Röschmann als Gräfin. Und die junge Französin Marianne Crebassa irrlichtet als Cherubino durch die Szenerie, dass es ein Vergnügen ist. Überall, wo sie/er auftaucht, stiftet er/sie Verwirrung – ganz wie Mozart es offenbar wollte.

Lasst euch überraschen!

2 Kommentare

  • Ingolf Petzold
    schrieb am 15.11.2015 um 13:34 Uhr.

    le nozze di figaro
    von W.A. Mozart / L. daPonte
    Eine Aufführung der Staatsoper Berlin
    in der Inszenierung von Jürgen Flimm
    im Schiller-Theater Berlin,
    übertragen auf ARTE am 13.11.2015.

    Was für ein Abend!
    Ich, kein Kenner der Oper, nur hin und wieder Zaungast, aber dennoch immer interessiert, habe wundervolle Stunden vor dem Fernsehgerät verbracht und mich über das schöne Arte-Programm gefreut.
    Meinem beschränkten Wissen über die Oper und der Vorliebe für Mozart ist es geschuldet, dass ich auch nur dessen Opern, als echter Genussmensch, erleben durfte. Meine schönsten Erfahrungen sind die wundervollen Video-Veröffentlichungen der wichtigsten Mozart-Opern, des Salzburger Marionettentheaters, verschiedene Inszenierungen der Zauberflöte, vor allem aber die wundervollen letzte Inszenierung der Deutschen Staatsoper Berlin im Schiller-Theater der Entführung aus dem Serail auch mit Anna Prohaska, die zauberhafte Inszenierung der cosi fan tutte in der Komischen-Oper 2014 und die wirklich beeindruckende Arbeit Christoph Hagels 2010 zu Titus aufgeführt im Bode-Museum. Mit viel mehr Opernerfahrung kann ich nicht aufwarten.
    Natürlich ist die Oper vor dem Fernsehgerät immer in gewisser Weise eine Kastration, aber ich bin einfach durch Zufall in der Ouvertüre beim „umher zappen“ hängen geblieben und habe mich sofort zum Verbleib entschlossen. Meine Entscheidung war richtig und ich wurde, mehr als mir zusteht, mit reichen Gefühlen, weiser Menschenkenntnis und vor allem einer vollkommen deliziösen, auf den Punkt menschlicher Empfindungen gebrachten Musik, vorgetragen von ganz wundervollen Musikern beschenkt, so dass ich mich, noch am dritten Tage danach, bewogen fühle, diesen seelischen Überschwang Ihnen mitzuteilen und mich bei allen Mitwirkenden auf das herzlichste zu bedanken.
    Aus der Vorrede wird es schon klar. Als nüchterner Techniker saß ich nun vor dem Fernsehgerät und konnte abtauchen in eine innere Welt, die mir als Mensch, der ich ja auch bin, vertraut ist und wurde im Sturm mitgerissen. Es ist keine Lüge, dass mir die Tränen nur so flossen und dass ich laut lachen musste, mir einige sinnige Sprüche notierte und den Künstlern zum Ende lange und begeisterten Applaus schenkte. Bravo bravo!!!
    Wäre ich direkt dabei gewesen, wäre ich sicher als „Störer“, ob meiner heftigen Gefühlsausbrüche, vom Ordnungspersonal zur Ruhe aufgefordert, doch nur in der Lage gewesen, denen dann im Rausch zuzurufen: “Bringt gefälligst eine gute Flasche deutschen Riesling-Sekt!“, -ganz in dem Sinne, so, wie die Oper ja auf auf uns Menschen wirken soll, – und wäre dann, aus dem Saal geflogen.
    Es ist einfach ein Meisterwerk. Es ist nicht zu fassen, wie es L. daPonte verstanden hat, wirklich menschliche Gefühle zu fassen und denen eine Sprache gab, gleichwohl es Mozart fein, kunstreich und immer auf die Szene und den Moment abstellend, eine flüssige, kontrastreich und sinnreiche Musik darunter schob. Der Witz, die Charaktere, wunderbar von allen Interpreten toll aufgenommen und mit Kraft, bester Spiellaune und vor allem delikaten Stimmen umgesetzt. Da kann ich nur Danke sagen. Und im Graben war ein phantastisches Orchester zu hören. Eigentlich ist hier irgendwie der Gleichklang von Wohllaut als Gesamtheit wohl schon erreicht worden.
    Ich habe keine Ahnung was kenntnisreiche Kommentatoren und Rezensenten zu dieser Aufführung sagen. Mich hat die Aufführung gepackt und der Rahmen den J. Flimm für die Handlung gewählt hatte, war durchaus stimmig. Viele schöne Details, Verzierungen und feinen Zeichnungen; aber nie aufgesetzt und unverständlich. -Natürlich ist man immer gespannt, was herauskommt, wenn ein solch hundertfach gespielter Stoff neu zugeschnitten wird und als ich die Transformation der Handlung ins 19 Jahrhundert, an einen Badeort, wie auch immer, sah, war ich doch einigermaßen skeptisch vorgespannt. Das war ganz unberechtigt, da die Oper auch in diesem Sujet hervorragend funktionierte und es keine geblähten, auszudeutenden Fragezeichen gab, die oft in recht fragwürdige Gefilde einschwenken und sich der geneigte Besucher mitunter auch fragt, „wie geschieht mir gerade?“ Was ja ggf. auch seine Berechtigung haben kann, mir aber meist geflissentlich ganz hinten runter geht. Nach meinem Gefühl war es durchaus bester Dienst an der Kunst. Und so behandelt schafft es der Figaro allemal auch durch die Tür des 21. Jahrhunderts zu kommen, ohne blöde Amputationen, Verstelllungen, dialektische Aus- und Umdeutungen hinnehmen zu müssen. Seine Botschaft weht aus dem Rokoko bis zu uns hindurch. Weil wir Menschen offensichtlich immer noch die gleichen geblieben sind. Dies aufzugreifen und uns auf diese Weise wieder selbst zu vergewissern, ist eine große und würdevolle Aufgabe, die hier sehr gut gelungen ist.
    Es war ein Abend, so wie er mich recht begeisterte und von dem ich noch lange zehren kann.

    Nur wenige Sekunden nach dem Umschalten, nach eben erfahrener Tröstung und Milde hörte ich von den schrecklichen Attentaten in Paris. Gerade noch in der Stimmung alle Menschen zu umarmen, hat uns die wirkliche Welt wieder gezeigt, wie falsch und dumm sie ist. Dummheit geht immer mit dem Bösen Hand in Hand. Weil das so ist, brauchen wir Trost und Vergebung, Genau wie in der Schlussszene des 2 Aktes. Wenn diese Botschaft einmal überall ankäme, wären die Tagesmeldungen freundlicher.

    Mein Dank gilt allen lebenden und schon gegangenen Künstlern, Managern, Handwerkern, Technikern und Mitdenkern! Ihre Arbeit hat mir zumindest geholfen den Glauben an die Menschheit nicht zu verlieren. Wer Mozart hört, kann nicht hinterher wie ein Irrer umhertoben.
    Glauben Sie mir einfach.

    freundlichst
    Ingolf Petzold

  • Lilo Hartl
    schrieb am 29.11.2015 um 15:42 Uhr.

    Durch Zufall bin ich in diesem Blog gelandet. Wir haben die Vorstellung von Le nozze di Figaro am 15.11. 2015 gesehen. Sie hat mir sehr gefallen. Es war eine witzige und erfrischende Inszenierung. Die Sänger und Sängerinnen waren alle hervorragend besetzt. Zwar konnte Syliva Schwartz stimmlich nicht ganz mit Anna Prohaska mithalten, aber wenn man bedenkt, dass sie kurzfristig eingesprungen ist, so hat sie ihre Sache sehr gut gemacht. Der Laufsteg zwischen Orchestergraben und Reihe 1 ist ein genialer Regieeinfall. Als Zuschauer fühlt man sich mitten im Geschehen.
    Dieser Laufsteg hat mir schon bei ‚L’elisir d’amor‘ sehr gut gefallen. Ich habe mir alle 4 Veranstaltungen ‚elisir‘ angesehen. Normalerweise sehe ich mir jede Inszenierung nur einmal an. Dabei ist mir aufgefallen, das jede Aufführung ein wenig anders war, die erste war gut, die zweite besser, nach der dritten dachte ich, es gebe keine Steigerung mehr, aber die letzte Vorstellung war die beste. Von einer FB Freundin habe ich erfahren, dass diese auch bei Don Pasquale in Barcelona und bei Don Giovanni in Wien der Fall gewesen sein soll, vielleicht sind die Probenzeiten zu kurz. Auf jeden Fall, war das eine ganz neue Erfahrung für mich.
    Am 23.11. haben wir uns ‚Il trionfo del tempo e del disinganno‘ angesehen, wieder wunderschön inszeniert und hervorragend dargestellt.
    Man kann der Staatsoper nur gratulieren zu solchen gelungenen Stücken.
    Als nächstes steht bei uns ‚Faust‘ an. Diese Inszenierung haben wir schon letztes Jahr gesehen, hat mir gut gefallen, jedenfalls besser als die “Stölzl Inszenierung‘ an der Deutschen Oper. Wir hatten nur Pech, damals wurden die 3 Hauptrollen umbesetzt und der Tenor war sehr schwach . Nun kann ich nur hoffen, dass die Besetzung am 15.12. mit Pavol Breslik, Rene Pape und Krassimira Stoyanova steht.
    Ich besuche gerne das Schillertheater, es ist klein, gemütlich und mit einer guten Akkustik. Ein Opernbesuch ist manchmal wie der Besuch einer Familienfeier, ich treffe immer Leute die ich kenne und mit denen ich mich austauschen kann.

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