María Malibrán – Eine der bedeutendsten Sängerinnen des 19. Jahrhunderts im Portrait

Zum 215. Geburtstag von María Malibrán lud Anna Samuil am 28. November zum Liedrecital in den Apollosaal der Staatsoper ein.

Das Programm des Abends IL MONDO FELICE widmete sich María Malibrán, die als eine der bedeutendsten Sängerinnen des 19. Jahrhunderts als »Geburtshelferin« der Romantik auf der Bühne und in der Musik gilt. Sie prägte einen neuen, romantischen Künsterler:innentypus: nicht nur durch ihr Leben, geprägt von einem strengen Normenkorsett, sondern auch durch das Virtuose, Spielerische und Emotionale ihrer Kunst. Am 24. März 1808 wurde María Felicia als Tochter des Tenors Manuel del Pópulo Vicente García in Paris geboren. María hatte ihren ersten Auftritt mit fünf Jahren, bei einer Aufführung von Ferdinando Paërs heute verschollenem Werk »Agnese« in Neapel in der Rolle der Tochter. Das Können Marías trat zutage, als sie mitten in der Aufführung die Arie der Mutterrolle mitsang. Nach diesem Schlüsselereignis in María Malibráns Biografie, wurde sie in den folgenden Jahren in Paris von verschiedenen Lehrern, aber auch von ihrem Vater, weiter ausgebildet und erhielt Klavierstunden.

María hatte ihren ersten Auftritt mit fünf Jahren als Tochter in Ferdinando Paërs heute verschollenem Werk »Agnese«

Am 7. Juni 1825, mit gerade einmal 17 Jahren, gab María ihr Debüt am Londoner Haymarket als Rosina in Rossinis »Il barbiere di Siviglia«. Sie sang mit großem Erfolg, wurde sofort engagiert und gab beispielsweise in Giacomo Meyerbeers »Il Crociato in Egitto« eine eigentlich für Kastraten vorgesehenen Partie. Auch bei Aufführungen geistlicher Werke wie Händels »Messiah« oder Haydns »Schöpfung« wirkte sie mit.

Nachdem der Vater seine Verträge in London aufkündigte, reiste die Familie über den Atlantik in die »Neue Welt« – in die noch jungen Vereinigten Staaten von Amerika, wo die Oper zwar noch unter einem schlechten Stern stand, was sich zusehends änderte mit den neuen Möglichkeiten, die die USA als Aufführungsort mit größtenteils unerfahrenem, frischem Opernpublikum boten. Denn durch wandernde Musikkompanien schwappte die Begeisterung für das Medium Oper langsam von den Britischen Inseln herüber. Als erstes Werk im Programm der Familie García stand Mozarts »Don Giovanni« auf dem Programm, in dem María die Rolle der Zerlina sang. Dass Mozarts Oper die Arbeit der Garcías in den USA eröffnete überrascht rückblickend wenig, riet doch Lorenzo da Ponte – Mozarts Librettist, der selbst vor seinen Gläubigern über den Atlantik geflohen war – Vater García zur Reise nach Amerika.

Geldnot trieb die Sängerin auch in die wenig anspruchsvollen New Yorker ballad operas

Während die Garcías nun durch die USA und Mexiko tourten, heiratete María Felicia García gegen den Willen ihres Vaters in New York den 27 Jahre älteren, aber auch um einiges reicheren, François-Eugène Malibrán. Die amtliche Trauung mit dem Finanzier erfolgte am 23. März 1827. Wenige Zeit später sorgte jedoch das wirtschaftliche Unvermögen des Gatten für den finanziellen Ruin des jungen Ehepaares. Um an Geld zu kommen sang María nun in New York auch in den wenig anspruchsvollen ballad operas, die neben den wenigen europäischen Opern an den Theatern gespielt wurden und reiste für Konzerte nach Philadelphia. Nach dieser Konzert-Tour beschloss sie nach Europa zurückzukehren.

Am 28. November 1827 erreichte María Malibrán Frankreich: In den Wehen der Juli-Revolution fasste María Fuß in der Pariser Bourgeoisie, knüpfte Kontakte mit den Frauen des Großbürgertums und trat in deren Salons auf. María wollte nun auch im renommierten Pariser Opernbetrieb ankommen, fand jedoch in Gioachino Rossini, eigentlich ein Freund der Familie, ihre größte Hürde. Mehrere Versuche seinerseits, sie lediglich an der französisch-sprachigen Oper in Paris zu installieren, scheiterten. Sie sang weiterhin sehr erfolgreich am liberaleren Théâtre-Italien italienische Partien und strich hohe Gagen und enormen Erfolg, sowie den besten Eindruck bei Rossini, ein.

In der Pariser Bourgeoisie fasste María Fuß und begann ihre Rolle als Künstlerin zu reflektieren

María begann im Laufe der Zeit, angesichts etwaiger emotionaler, wirtschaftlicher und zwischenmenschlicher Abhängigkeiten, immer mehr ihre Rolle als Künstlerin und als Frau zu reflektieren. Sie wurde selbstbewusster, umgab sich mit oft männlichen Freunden und Förderern und suchte Ablenkung und Zerstreuung vom harten Opernbetrieb auf den Landhäusern und Gütern ebenjener.

Während eines Aufenthalts in London mit vertraglicher Beschäftigung am King’s Theatre, gab sie Partien wie Desdemona, Semiramide oder Zerlina. Die Kritik in England war hart und ehrlich, dennoch wurde sie herzlich aufgenommen und gewürdigt. Sie tourte immer wieder durch England und trat bei Musikfestspielen in Norwich oder Liverpool auf.

Wieder ihren Verpflichtungen in Paris folgend lernte sie den belgischen Geiger Charles de Bériot kennen – die beiden wurden ein Paar. Bereits 1830 wurde das Verhältnis zwischen den beiden angespannter da María in London und Bériot anderswo auf Tournee war. Zudem war María mittlerweile von ihm schwanger. Kurz nach der Geburt verstarb das Kind, während María, die es geschafft hatte die Schwangerschaft zu verheimlichen, bald schon wieder auf der Bühne stand. Die Scheidung von François-Eugène Malibrán wurde durch die Vermittlung von Freunden, unter anderem dem berühmten General Lafayette, vorangetrieben, zog sich allerdings über zwei Jahre hin.

Die Sängerin erlitt Rückschläge: Politik und Gesundheit erschwerten ihr die Umstände

Währenddessen kam es im Vorfeld des Jahres 1830 zu immer stärkeren Repressionen gegen Bevölkerung und Bürgerrechte durch Karl X., was zu den ersten revolutionären Erhebungen in Frankreich seit der Restauration der Bourbonen führte. Karl X. wurde vertrieben und zur Abdankung gezwungen, der Ministerrat löste sich auf und das sich erneut selbstbewusst zeigende Bürgertum setzte Louis Philippe I. als neuen »Bürgerkönig« ein.

An der post-revolutionären Pariser Opéra feierte nun 1831 Meyerbeers »Robert le Diable« Erfolge, während das Théatre-Italien bei einem Benefiz-Konzert Marías beinahe leer blieb, da ihre Gesundheit und Stimme bereits seit einiger Zeit angeschlagen war. Obwohl Marías Situation auch durch eine erneute Schwangerschaft und finanzielle Schwierigkeiten zusätzlich belastest wurde führte das alles wider Erwarten zur Stabilisierung des Verhältnisses zwischen María und Bériot. Sie verließen Paris und das für beide genau zur richtigen Zeit, María war durch ihre allzu menschliche Verletzlichkeit beim Publikum in Verruf geraten, Bériot bekam Konkurrenz durch den Aufstieg Niccolò Paganinis.

Vor allem Italien wurde zur neuen Heimat der Primadonna, aber auch England blieb weiterhin einer ihrer Wirkungsorte. Im Juni 1832 erfuhr María vom Tod ihres Übervaters Manuel García. Am 13. Februar 1833 kam Marías Sohn zur Welt, das einzige ihrer Kinder, dass überlebte. Charles Wilfrid wurde in Belgien der Obhut von Marías Schwägerin übergeben, da María selbst sich inmitten ihrer Karriere nicht um das Kind kümmern konnte und wollte. Nicht nur das kühle Verhältnis Marías zu ihrem gemeinsamen Sohn, sondern auch ihr weiter anhaltender Erfolg auf der Bühne, sorgte für eine Belastung der Beziehung mit Bériot.

Italien brachte erneuten Erfolg – vom Gesang zum Kostümbild

Während ihrer Engagements in Italien liebäugelte María nicht nur mit den Italienern an sich, sondern auch mit den italienischen Liberalen, der Carboneria. Dennoch arrangierte sie sich vor ihren Auftritten in Neapel mit dem König beider Sizilien, Ferdinand II. Dort feierte sie einen enormen Erfolg mit Vincenzo Bellinis »Norma«. Im Weiteren zog es María nach Mailand, wo sie ihren Platz an der Scala gegen die etablierte Primadonna Giuditta Pasta behauptete. In Mailand entdeckte María ihr Interesse an Szenenbild und Kostüm und engagierte sich für die Reformierung und Auseinandersetzung mit der Geschichte der Kostüme. Sie fertigte Unmengen an Skizzen und Entwürfen an, die zu einigen Produktionen auch umgesetzt wurden.

Nachdem Vincenzo Bellini María Malibrán in seinem eigenen Werk »La sonnambula« bei der englischsprachigen Erstaufführung in London gesehen hatte war er begeistert. Am Ende der Saison, vor Marías Rückreise nach Italien zu einem Engagement in Neapel, trafen die beiden nochmal aufeinander und Bellini eröffnete María, dass er eine Oper für sie und ihre Stimme schreiben wolle: »I puritani«.

Angst vor dem Tod: »Ich fühle, daß ich bald folgen werde.«

Anders als in Neapel, wo sie zwar gefeiert, aber auch mit Gleichgültigkeit behandelt wurde, war ihre Zeit in Venedig von Sensationen und Hochverehrung seitens des Publikums und der etablierten Gesellschaft geprägt. Bei ihrem Aufenthalt dort wurde nun auch endlich ihre Scheidung durchgesetzt. Nach einer kolossalen Zeit in Venedig reiste sie über das von der Cholera heimgesuchte Lucca und Carrara wieder nach Mailand. Dort erhielt sie 1835 die Nachricht vom plötzlichen Tod Vincenzo Bellinis in der Nähe von Paris. In Schock und zusammenbrechend soll sie gesagt haben: »Ich fühle, daß ich bald folgen werde.«

In Mailand arbeitete sie mit Gaetano Donizetti zusammen (»Maria Stuarda«). Mit Werken Bellinis verabschiedete sie sich am 20. März 1836 aus Mailand. Sie reiste das letzte Mal nach London, gab nochmal »La sonnambula«, versuchte sich an Beethovens »Fidelio« in der Rolle der Leonore und scheiterte aufgrund der Andersartigkeit der Oper. Zudem arbeitete sie mit dem Komponisten Michael William Balfe zusammen und verhalf diesem zu Erfolgen in Covent Garden, woraufhin Balfe ihr eine, leider wohl eher mäßige, eigene Oper, »The Maid of Artois«, schrieb. Trotz des Erfolges hatte María wegen ihres »Galeerensklaven-Daseins« mit Depressionen zu kämpfen, dazu kam, dass sie erneut schwanger war.

»Schönheit, Genie und Liebe waren ihr weiblicher Name.«

Nachdem María Ende April bei einem Ausritt vom Pferd gestürzt war, verschlechterte sich ihre gesundheitliche Situation rapide. Der Unfall ereignete sich nachdem sie aus Übermut ihr Pferd zu mehr Tempo angespornt hatte und die Kontrolle verlor. Trotz der gesundheitlichen Folgen des Sturzes kam sie ihren Verpflichtungen in Lüttich und Aachen nach und wollte zudem noch ihre Engagements in Manchester, Norwich und Dublin realisieren. Bei den Festspielen in Manchester sang sie ein Duett mit Rosalbina Carradori und brach, nachdem sie noch eine Zugabe gesungen hatte, hinter der Bühne zusammen. Die Ärzte wussten sich nicht anders zu helfen, als sie zur Ader zu lassen. Zurück ins Hotel verbracht wurde sie weiter behandelt, jedoch ohne Erfolg und so starb eine der ersten Primadonnen des 19. Jahrhunderts am 23. September 1836, mit 28 Jahren, in Manchester.

Auf dem Sockel der Statue die, María Malibrán als Norma darstellend, ihr zu Ehren in das ihr erbaute Mausoleum auf dem Friedhof von Laeken (Belgien) gestellt wurde standen Verse, die Lamartine ihr gewidmet hatte:

»Schönheit, Genie und Liebe waren ihr weiblicher Name.
Eingeschrieben in ihren Augen, in ihrem Herzen, in ihrer Stimme.
In dreifacher Gestalt gehörte diese Seele dem Himmel.
Weine, Erde, und du, Himmel, heiße sie dreimal willkommen.«

 

Text: Hans Rädler

 

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