ThrowbackThursday No 43 – aus 450 Jahren Staatskapelle Berlin
Zum 450. Jubiläum der Staatskapelle Berlin, das wir 2020 feiern, gibt es in dieser Serie wöchentlich einen #ThrowbackThursday mit interessanten Fakten und Wissenswertem aus der Geschichte der Staatskapelle Berlin für Euch.
Woche 43: Wie kommt der Geist der Commedia dell’arte in die DDR? Die Premiere von Rossinis »Barbier von Sevilla« 1968
Es gibt Dinge, die liebevoll gehegt und gepflegt sein wollen – auch auf Operninszenierungen trifft das zu. Am 21. November 1968 war Rossinis »Barbier von Sevilla« in der Regie von Ruth Berghaus erstmals über die Bühne der Lindenoper gegangen, dirigiert von Otmar Suitner. Die Staatskapelle und ihr GMD hatten bereits Erfahrungen mit dieser vitalen Opera buffa, die Rossinis Weltruhm begründet hatte, gesammelt: 1965 galt die erste gemeinsame Schallplatteneinspielung einer Gesamtaufnahme dieses Werkes, in deutscher Sprache. Drei Jahre danach dann die szenische Umsetzung, die nach anfänglich gedämpfter Resonanz schon bald zum Publikumserfolg wurde. Bis heute wird diese Produktion gespielt – und sie wirkt frisch wie am ersten Tag. Ihr beider »Gesellenstück« hat Bühnen- und Kostümbildner Achim Freyer diese »Barbier«-Inszenierung genannt, das Ergebnis einer von Fortune begünstigten Zusammenarbeit mit Ruth Berghaus. Ganz aus dem Geist der italienischen Commedia dell’arte hat sie – die seit den frühen 1960er Jahren an der Staatsoper regelmäßig Regie führte, beim Standardrepertoire von Mozart bis Strauss ebenso wie bei den uraufgeführten Opern ihres Mannes Paul Dessau – sich Rossini und dessen musikalischer Formensprache genähert. Mit der Genauigkeit und Raffinesse einer gelernten Choreographin hat Ruth Berghaus das Geschehen und die Figuren inszeniert, stets dabei im Blick auf die Partitur. Ganz von den Gesten der Musik hat sie sich leiten lassen. Die dem Stück eigene Komödienhaftigkeit kommt zur Geltung, oft mit doppelten Böden. Stilisiert wirkt Vieles, in keiner Weise naturalistisch, da Berghaus das Artifizielle, das für die Kunstform Oper wesenhaft ist, bewusst herausgearbeitet hat. Und über allem triumphiert Rossinis inspirierte Musik, wenn sie so ernst genommen und pointiert gespielt wird wie von der Staatskapelle Berlin. Dieses Juwel des Repertoires wird hoffentlich noch lange blitzen und leuchten.